Mit heute verkündetem Urteil hat das Verwaltungsgericht Dresden eine Klage gegen das von der Stadt Ostritz verfügte Verbot der Kampfsportveranstaltung „Kampf der Nibelungen (KdN)“ abgewiesen.

 

Der Kläger hatte unter dem genannten Titel im August 2019 bei der Beklagten für den 12. Oktober 2019 eine Sportveranstaltung anzeigt. Diese sollte auf dem Gelände des Hotels Neißeblick in Ostritz stattfinden. Die Veranstaltung wurde im Internet als Kampfsportveranstaltung unter der Organisation und Beteiligung von jungen Deutschen beworben. Der Kartenverkauf (Sitzplätze für 45,- €, Stehplätze für 35,- €)  erfolgte ebenfalls über das Internet. Eine Tages- bzw. Abendkasse war nicht vorgesehen. Angekündigt waren mehr als 10 Kämpfe im Boxen, K1 (Kickboxen) und MMA (Mixed Martial Arts). Nach Angabe des Klägers waren bis Mitte September 2019 ca. 400 Karten verkauft worden, es würden 800 bis 1000 Zuschauer erwartet.

 

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 4. Oktober 2019 die angezeigte Veranstaltung sowie jegliche Formen von Ersatzveranstaltungen im Gemeindegebiet verboten und ordnete den Sofortvollzug des Bescheids an. Zur Begründung gab die Stadt Ostritz an, dass das Verbot zur Abwendung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich sei. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Veranstaltung sei § 3 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 des Sächsischen Polizeigesetzes (in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung).

 

Die geplante Veranstaltung habe entgegen der öffentlichkeitswirksamen Darlegungen des Klägers keinen Sportcharakter. Sie stehe vielmehr im Dienst der rechtsextremen Kampfertüchtigung. Sie sei der Einstieg in den physischen politischen Kampf und der körperlichen Durchsetzung politischer Ziele. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung werde gefährdet, weil die Veranstaltung zweckgerichtet darauf abziele, dem Besucherkreis Gewaltkompetenz zur Überwindung des politischen Systems zu vermitteln und mit hoher Wahrscheinlichkeit und in allernächster Zeit zum gewaltbereiten Widerstand gegen Funktionsträger des Staates und gewaltsamen Handeln gegen Andersdenkende anzuleiten und zu professionalisieren. Die Veranstaltung solle einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die körperliche Ertüchtigung und Wehrhaftigkeit der Szene zum Zweck einer künftigen und beabsichtigten Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung anzuleiten und zu fördern.

 

Dass das beschriebene Ziel der Kämpfe zur Systemüberwindung Wirksamkeit entfalte, lasse sich aus Ereignissen im August und September 2018 bei Demonstrationen in Chemnitz belegen. Dort seien die auf den bisherigen Veranstaltungen gezeigten Kampftechniken gegen Polizisten eingesetzt worden. Dies sei zum Teil im Internet von einschlägig bekannten Kampfsportlern positiv gewürdigt worden. Auch durch das aus den vergangenen Veranstaltungen bekannte Rahmenprogramm in Form von Redebeiträgen, die zum Rassenkampf aufriefen, erfolge die Motivation des Publikums. Es bestehe ferner die Gefahr strafbarer gefährlicher Körperverletzungen. Eine eventuelle Einwilligung sei sittenwidrig. Auch die drohende Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gefährde die öffentliche Sicherheit. Insoweit könne ein Vorjahreskämpfer namentlich erwähnt werden, der am Körper Tätowierungen mit verbotenen Kennzeichen trage. Letzteres sei nach allgemeiner Lebenserwartung erneut auch bei der streitgegenständlichen Veranstaltung zu erwarten. Zudem sei bei der letzten Veranstaltung der Hitlergruß, von allen Anwesenden wahrnehmbar, gezeigt worden. Auch durch das Abspielen szenetypischer und rechtsradikaler Musik werde die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere der Jugendschutz, gefährdet. Eine Altersbeschränkung sei in der Werbung für die Veranstaltung nicht angegeben. Als verantwortliche Person sei der Kläger Verhaltensstörer. Ein milderes Mittel als die Untersagung sei nicht erkennbar.

 

Der Kläger hat am 7. Oktober 2019 beim Verwaltungsgericht Dresden um vorläufigen Rechtsschutz ersucht. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Oktober 2019 (6 L 788/19) abgelehnt. Die dagegen zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht erhobene Beschwerde hat dieses mit Beschluss vom 11. Oktober 2019 (3 B 274/19) zurückgewiesen.

 

Mit seiner am 16. Oktober 2019 erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Verbotsbescheid rechtswidrig war. Er hat geltend gemacht, dass die Gefahr der Wiederholung von Verbotsverfügungen für alle von ihm beabsichtigten Kampfsportveranstaltungen wegen seiner politischen Gesinnung bestehe. Es bestehe ein Rehabilitationsinteresse, weil er bezichtigt worden sei, den Umsturz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befördern zu wollen. Es liege schließlich auch ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vor, weil er wegen seiner politischen Anschauungen gleichheitswidrig behandelt worden sei.

 

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. 

 

Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Zwar habe sich der Bescheid der Beklagten erledigt, weil die Veranstaltung nicht durchgeführt worden sei. Der Kläger könne aber trotzdem noch die Feststellung verlangen, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig war. Das für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe. Der Kläger habe nachvollziehbar geltend gemacht, dass sich die der Verbotsverfügung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände wiederholen könnten. Er plane auch weiterhin, Kampfsportveranstaltungen in Ostritz unter im Wesentlichen gleichen äußeren Umständen durchzuführen. Eine gerichtliche Entscheidung könne Rechtssicherheit herstellen.

 

Die Klage sei jedoch nicht begründet. Die Beklagte habe zutreffend angenommen, dass bei der beabsichtigt gewesenen Veranstaltung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden habe. Im Vordergrund habe keine Sportveranstaltung gestanden, sondern die Vorführung von Kampftechniken sowie die Kampfertüchtigung als Einstieg in den physischen politischen Kampf, um auf diese Weise politische Ziele gewaltsam durchsetzen zu können. Eine Gefährdung habe vorgelegen, weil die Veranstaltung darauf abgezielt habe, dem Besucherkreis Gewaltkompetenzen zur Überwindung des politischen Systems zu vermitteln. Die dort gewonnenen Erkenntnisse hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit und absehbar genutzt werden können, um gewalttätigen Widerstand gegen Funktionsträger des Staates zu leisten und zu gewaltsamen Handeln gegen Andersdenkende anzuleiten. Maßgeblich dafür sei das gesamte Gepräge der öffentlichen Veranstaltung. In der Bewerbung und bei vorherigen Veranstaltungen seien die offene Ablehnung des demokratischen Systems thematisiert und zum Ausdruck gebracht worden. Der Kampf sei dort nicht als sportlicher Wettkampf angesehen und dargestellt worden, sondern die Kämpfer seien zu Vorbildern stilisiert worden sich vom herrschenden politischen „System der Heuchler, Versager und Schwächlinge“ absetzten und unterschieden. Die Veranstaltung habe sich an rechtsextremistische Hooligans, Rocker und junge sportaffine Rechtsextremisten gerichtet, die als Akteure für den Kampfsport unter entsprechenden politischen Vorzeichen gewonnen werden sollten. Darüber hinaus habe die Veranstaltung der Stärkung des europäischen Kampfsportnetzwerk dienen sollen. Die politische Ausrichtung der Veranstaltung mit dem Ziel, sich auf eine gewaltsamen Umsturz vorzubereiten, werde durch die Bewerbung einer anderen Veranstaltung des „Kampf der Nibelungen“ am 23. März 2019 belegt, in der bei einem Seminar Grundlagen der Selbstverteidigung, klassisches Kickboxen und ausdrücklich auch Grundlage des Straßenkampfs vermittelt werden sollten.

 

Gegen das Urteil (Az.: 6 K 1945/19) kann Antrag auf Zulassung der Berufung durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht gestellt werden.

Quelle: Verwaltungsgericht Dresden, Pressemitteilung vom 7. September 2022

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