Am 9. November vergangenen Jahres ist die Reform des Bußgeldkataloges in Kraft getreten. Eines der Hauptziele war es, durch eine Erhöhung der Geldbußen und neuer Tatbestände tatsächlich eine Veränderung des Fahrverhaltens zu erreichen. Ob sich diese Erhöhung auf das Fahrverhalten tatsächlich auswirken wird, ist noch nicht abschließend untersucht worden.

Zwar liegt Deutschland trotz der erhöhten Geldbußen nur noch im Mittelfeld, jedoch ist die Kontrolldichte wesentlich höher. Dies führt zu einer Belastung der Amts- und Oberlandesgerichte. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) fordert daher, das gegenwärtige starre System zu verlassen und den einzelnen Behörden mehr Entscheidungsspielraum zu geben.

„Im Ergebnis belasten die Verfahren, in denen es um die Fahrverbote geht, neben den Behörden insbesondere auch die Amts- und Oberlandesgerichte sehr“ so Rechtsanwalt Thomas Noack, von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Daher gebe es bereits einzelne Versuche von Seiten der Justiz und der Politik, die Rechte der Betroffenen auf ein faires Verfahren zu beschneiden. Das Bundesverfassungsgericht habe diesen Überlegungen allerdings am 12. November 2021 dem zumindest teilweise ein Ende gesetzt.

So etwa, dass nun endlich ein Anspruch auf alle Messdaten besteht, wenn diese durch die Bußgeldstelle beschafft werden können.

Nach Auffassung der Verkehrsanwälte des Deutschen Anwaltvereins konnte aber die Ursache des Problems nicht gelöst werden: Im Verkehrsstrafrecht erleben die Verteidiger eine regional sehr unterschiedliche Rechtsprechung zu den Fahrverboten, was durch die Betroffenen als ungerecht empfunden wird. Tatsächlich finden auf der amtsgerichtlichen Ebene regional sehr unterschiedlich vielfältige Versuche statt, auf die Betroffenen einzuwirken. Neben der freiwilligen verkehrspsychologischen Schulung soll hier auch und gerade das Fahrsicherheitstraining für ältere Verkehrsteilnehmer, die Beschränkung auf bestimmte Fahrerlaubnisklassen oder die Aufteilung bzw. zeitliche Verschiebung des Fahrverbots erwähnt werden.

„Das gegenwärtige System ist zu starr“, so Noack weiter. Damit könne nicht tat- und schuldangemessen auf den einzelnen Betroffenen eingewirkt werden. Gerade der Entscheidungsspielraum der Sachbearbeiter in den Zentralen Bußgeldstellen gehe häufig gegen Null – es erfolgt ein stereotyper Verweis auf das sich anschließende Verfahren vor dem Amtsgericht. „Zur Entlastung der Justiz dürfen die Behörde das Problem nicht weiterhin einfach zu den Amtsgerichten verlagern“, so der Rechtsanwalt aus Berlin weiter. Die Amtsrichter:innen sähen sich häufig überfordert und reagierten mit formularmäßigen Verfügungen, die den Begründungsaufwand für eine Kompensation teilweise in absurde Dimensionen steigern. Wenn zur Frage einer Arbeitsplatzgefährdung tatsächlich der Geschäftsführer eines Unternehmens ins 500 km weit entfernte Amtsgericht geladen werden soll, wird das mit Sicherheit keine Beförderung nach sich ziehen.

Mehr Sanktionsmöglichkeiten auf der Ebene der Behörden

Da es also darum geht, das Regelverständnis der Betroffenen zu verbessern, die Ursachen von Geschwindigkeitsüberschreitungen und damit eine der Hauptursachen für Verkehrsunfälle zu bekämpfen, sollten wir tatsächlich alles in Erwägung ziehen und diskutieren, was diesem Ziel dient. Insofern wird sich die Arbeitsgemeinschaft dafür einsetzen, neue Aspekte der Sanktionierung bereits auf der behördlichen Ebene in den Bußgeldgeldkatalog als Alternative zum Fahrverbot aufzunehmen zu lassen. Wenn es also durch eine Erweiterung der Sanktionsmöglichkeiten gelänge, einerseits den Arbeitsaufwand seitens der Gerichte, Behörden und Anwaltschaft zu reduzieren und andererseits mehr Verkehrssicherheit durch eine höhere Regelakzeptanz zu erreichen, wären wir der vielzitierten Einzelfallgerechtigkeit ein großes Stück nähergekommen.

Quelle: Deutscher Anwaltverein, Pressemitteilung vom 17. August 2022

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