Ein Jahr nach Machtübernahme der Taliban verschlechtert sich die Lage in Afghanistan für Angehörige juristischer Berufe, vor allem für die weibliche Anwalt- und Richterschaft zusehends. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fordert die Bundesregierung zur zügigen Umsetzung eines weiteren Aufnahmeprogramms auf. Der DAV drängt zudem auf Etablierung von Rechtsberatung als Standardmaßnahme humanitärer Hilfe.
„Das Land befindet sich in einer nie da gewesenen humanitären Notlage. Besorgniserregend ist vor allem die Situation von Juristinnen wie Rechtsanwältinnen, Strafverteidigerinnen und Richterinnen im Land, die aufgrund ihrer vorherigen oder aktuellen Berufsausübung tagtäglich massiver Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt sind. Eine freie Anwaltschaft ist unter dem Taliban-Regime praktisch nicht mehr existent. Die im Afghanistan-Aktionsplan des Auswärtigen Amts für diesen Sommer vorgesehene weitere Evakuierungsmission für besonders schutzbedürftige Personen wird von den neuen Machthabern in Kabul torpediert.
Es braucht dringend ein weiteres humanitäres Aufnahmeprogramm, wie im Koalitionsvertrag angekündigt. Personen, die bereits eine Aufnahmezusage erhalten haben oder die für ein Schutzprogramm vorgemerkt sind, müssen inklusive ihrer Familien schnellstmöglich außer Landes gebracht werden. Die Erteilung humanitärer Visa und die Aufnahme von hochgefährdeten Menschen laufen noch viel zu kompliziert und bürokratisch ab. Hier muss Deutschland seiner auch rechtlichen Schutzverantwortung noch besser nachkommen.
DAV setzt sich auch für die Aufnahme der Rechtsberatung in den Kanon der humanitären Standardmaßnahmen ein. Bei Naturkatastrophen, Konflikten oder anderen akuten Krisen muss neben Ernährung, Gesundheit, Wasser- und Sanitärversorgung auch der Zugang zum Recht garantiert werden.“
Quelle: Deutscher Anwaltverein, Statement vom 15. August 2022