Am 1. Juli 1952 trat die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg in Kraft. Anlässlich des 70. Verfassungsjubiläums empfing Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher die Spitzen der Verfassungsorgane sowie Gäste aus Politik, Justiz, Wirtschaft und Gesellschaft im Rathaus. In ihren Reden würdigten der Erste Bürgermeister, die Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft Carola Veit sowie die Präsidentin des Hamburgischen Verfassungsgerichts Birgit Voßkühler die Leistungen der Landesverfassung für die Entwicklung Hamburgs. Im Anschluss folgte eine Podiumsdiskussion über die Bedeutung der Verfassung für junge Menschen, an der neben Birgit Voßkühler auch Oliver Wurm, der Herausgeber von „Das Grundgesetz als Magazin“, Christian Lenz-Egbering von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, sowie die Schülerin Louisa Arendt vom Gymnasium Buckhorn und der Schüler Hami Gordon vom Gymnasium Lerchenfeld teilnahmen.
Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher: „Die Hamburger Verfassung hat den Weg bereitet für eine positive Entwicklung unserer Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Verbund mit dem Grundgesetz ist sie seit 70 Jahren ein starkes Fundament für die Staatsorganisation in Hamburg und für das gute Zusammenwirken von Bürgerschaft, Senat und Verfassungsgericht. In den 70 Jahren ihres Bestehens wurde sie stetig weiterentwickelt, unter anderem mit dem Gebot der Gleichstellung von Frauen und Männern und der Verpflichtung zum Klimaschutz. Die Hamburger Verfassung gibt uns Orientierung und demokratische Stabilität. Sie mahnt und verpflichtet uns auf grundlegende Werte und Ziele zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt.“
Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, Carola Veit: „Demokratie ist nie „fertig“. Sie unterliegt immer den Entwicklungen in Gesellschaft und realem Verfassungsleben. Im Laufe ihrer 70-jährigen Geschichte hat die Bürgerschaft die Hamburgische Verfassung daher immer wieder –behutsam – angepasst. Wie zum Beispiel beim Wahlrecht und dem Klimaschutz sowie der Stärkung der Bürgerbeteiligung. Die Verfassung bleibt für uns ein Kompass für unser gesellschaftliches und politisches Handeln in Hamburg und zeigt uns immer wieder den demokratischen Weg.“
Präsidentin des Hamburgischen Verfassungsgerichts, Birgit Voßkühler: „Dem Hamburgischen Verfassungsgericht ist die Aufgabe anvertraut, die Verfassung in Streitfällen anzuwenden und auszulegen. Mit jedem Fall, den wir entscheiden, ist ein kleines – manchmal sogar ein größeres – Stück Weiterentwicklung verbunden. Uns eint bei unserer Tätigkeit der große Respekt vor dem Text, der uns anvertraut ist, und der Wille, unsere Entscheidungen mit Bedacht und Umsicht so zu treffen, dass die verfassungsmäßige Ordnung der Freien und Hansestadt auch in den kommenden 70 Jahren trägt – ebenso sicher, wie sie dies in der Vergangenheit getan hat. Besonders am Herzen liegt mir persönlich die Rolle, die die Verfassung den Bürgerinnen und Bürgern zuschreibt. Sie zeigt sich besonders in der Präambel und da prägnant in dem Satz, den Oliver Wurm in der Magazin-Ausgabe der Hamburgischen Verfassung zu meiner großen Freude für das Deckblatt ausgewählt hat: ‚Jedermann hat die sittliche Pflicht, für das Wohl des Ganzen zu wirken.‘“
Hintergrund
Die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg wurde am 4. Juni 1952 von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossen. Bereits zuvor bestanden in Hamburg Verfassungen, darunter insbesondere die erste demokratische Verfassung, die am 9. Januar 1921 in Kraft getreten war und die Grundlage für das erste repräsentative parlamentarische Regierungssystem in Hamburg bildete. Die Verfassung von 1921 wurde bereits 1934 per Verordnung des Deutschen Reichs wieder aufgehoben, der Senat und die Bürgerschaft entmachtet. Nach dem Ende des Nationalsozialismus beauftragte die britische Militärregierung die von ihr ernannte Bürgerschaft mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Die Verfassung, die 1952 nach vierjährigen Beratungen beschlossen wurde, orientierte sich in vielerlei Hinsicht an den Formulierungen und Strukturen ihrer Vorgängerin von 1921 und knüpfte damit an die Hamburger Demokratiebewegung von 1918/19 an.
Hamburg gab sich als letztes Bundesland in der jungen Bundesrepublik eine eigene Verfassung. Das Grundgesetz war zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft, sodass die Hamburger Verfassung keinen Grundrechtekatalog enthält, anders als früher beschlossene Verfassungen anderer Bundesländer. Sie beschränkt sich auf die Staatsorganisation und regelt die Wahl, die Kompetenzen sowie die Zusammenarbeit der Verfassungsorgane Bürgerschaft, Senat und Verfassungsgericht. Außerdem regelt sie den Gesetzgebungsprozess, Kernfragen der Verwaltung und das Haushalts- und Finanzwesen. Seit 1952 wurde die Verfassung durch verschiedene Reformen immer wieder an neue gesellschaftlichen Entwicklungen und Anforderungen angepasst. Zum Beispiel verpflichtet die Verfassung in ihrer Präambel Hamburg nicht nur zum Einsatz für Frieden, Gemeinwohl und Gleichberechtigung, sondern seit 2020 auch für den Klimaschutz.
Der vollständige Verfassungstext ist aufrufbar unter: https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-VerfHArahmen
Informationen zu Hamburgs Verfassung findet sich in der Publikation „Einblicke – Hamburgs Verfassung und politischer Alltag leicht gemacht“ der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, aufrufbar unter: https://www.hamburg.de/eigenpublikationen
Quelle: Pressestelle des Senats, Pressemitteilung vom 1. Juli 2022