Rechtliche Aspekte einer etwaigen Teilnahme deutscher Staatsangehöriger am Krieg in der Ukraine erörtert die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/1996) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (20/1486). Danach sind bei einer möglichen Teilnahme deutscher Staatsangehöriger am Kriegsgeschehen unterschiedliche Rechtsmaterien betroffen.
Bei der völkerrechtlichen Bewertung einer Teilnahme deutscher Staatsangehöriger an den Feindseligkeiten sei das humanitäre Völkerrecht zu beachten, führt die Bundesregierung weiter aus. In der Ukraine liege ein internationaler bewaffneter Konflikt vor, womit das humanitäre Völkerrecht anwendbar sei. Hieraus folge unter anderem, dass Personen, die den Streitkräften einer Konfliktpartei angehören, als Kombattanten im Sinne des humanitären Völkerrechts zu betrachten sind und damit in den Genuss des völkerrechtlichen Kombattantenprivilegs kommen. Dies gelte auch für deutsche Staatsangehörige, die in die regulären Streitkräfte eintreten oder sich Freiwilligenverbänden anschließen, „sofern diese über eine hierarchische Kommandostruktur verfügen, sichtbare Unterscheidungsmerkmale tragen, Waffen offen tragen und im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht handeln“.
Zu den strafrechtlichen Konsequenzen einer möglichen Teilnahme deutscher Staatsangehöriger am Krieg zwischen der Ukraine und Russland sei zunächst darauf hinzuweisen, dass die Auslegung und Anwendung der Strafgesetze Aufgabe unabhängiger Gerichte ist, heißt es in der Antwort ferner. Eine mögliche Strafbarkeit nach deutschem Recht hänge maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab. Wenn eine Tötungs- oder Verletzungshandlung nach dem Völkerrecht erlaubt sei, dann sei sie auch nach dem deutschen Strafrecht nicht strafbar. In internationalen bewaffneten Konflikten vermittele das Völkerrecht einem Kombattanten unter Umständen ein „Schädigungsrecht“, das heißt, ein Recht, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen.
Wenn Kombattanten Taten nach dem Völkerstrafrecht begehen, so können sie dafür der Antwort zufolge strafrechtlich belangt werden – auch nach deutschem Recht. Deutsche Staatsangehörige, die keinen Kombattantenstatus haben, können sich laut Vorlage nicht auf das völkerrechtliche Schädigungsrecht berufen, wenn sie sich an Kampfhandlungen beteiligen. Ihre Kampfhandlungen in der Ukraine können grundsätzlich nach deutschem Strafrecht strafbar sein, wie die Bundesregierung ferner schreibt. Voraussetzung sei jedoch in der Regel, dass die Straftat auch nach ukrainischem Recht strafbar ist – und dass ihnen in der konkreten Situation auch keine anderen Rechtfertigungsgründe zustehen, zum Beispiel Notwehr.
Wie die Bundesregierung zudem darlegt, verliert ein Deutscher, der „aufgrund freiwilliger Verpflichtung ohne Zustimmung des Bundesverteidigungsministeriums oder der von ihm bezeichneten Stelle in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, eintritt“, nach Paragraf 28 Absatz 1 Nummer 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit, es sei denn, er würde sonst staatenlos, ist minderjährig oder wäre auf Grund eines zwischenstaatlichen Vertrages zum Eintritt in die Streitkräfte oder in den bewaffneten Verband berechtigt. Ein bewaffneter Verband eines ausländischen Staates stehe den Streitkräften gleich, wenn er ähnlich organisiert und ausgerüstet ist sowie mit ähnlichen militärischen Aufgaben betraut ist.
Quelle: Deutscher Bundestag, HiB Nr. 287 vom 8. Juni 2022