Europaweit nehmen antisemitisch motivierte Straftaten zu. Das Bundesinnenministerium meldete für das vergangene Jahr für Deutschland einen Anstieg auf 3027 antisemitischen Straftaten. Der Vorsitzende der 93. Justizministerkonferenz und bayerische Justizminister Georg Eisenreich: „Wir in Deutschland haben eine besondere Verantwortung für Jüdinnen und Juden. Deshalb darf es keinen Platz für Judenhass geben. Im Kampf gegen Antisemitismus kommt auch den Justizbehörden eine besondere Verantwortung zu.“
Bayern hat einen Antrag bei der 93. Justizministerkonferenz (1./2. Juni) eingebracht, um die Strukturen und die Netzwerktätigkeit der Länderjustiz im Kampf gegen Antisemitismus weiter zu verstärken. Berlin ist dem Antrag als Mitantragssteller beigetreten.
Damit setzt Bayern auch eine Anregung der gemeinsamen Bund-Länder-Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus und zum Schutz des jüdischen Lebens um. Diese hat die Justizministerkonferenz gebeten, die Möglichkeiten zu prüfen, in den Bundesländern Antisemitismusbeauftragte bei den (General-)Staatsanwaltschaften zu etablieren.
Einige Bundesländer haben das bereits umgesetzt. Justizminister Eisenreich: „Die bayerische Justiz hat bereits seit 2018 Antisemitismusbeauftragte bei den drei Generalstaatsanwaltschaften in Bamberg, München und Nürnberg. Im Oktober vergangenen Jahres habe ich Oberstaatsanwalt Andreas Franck zum Zentralen Antisemitismusbeauftragten der bayerischen Justiz berufen. Er koordiniert hauptamtlich und übergeordnet für ganz Bayern das besondere Engagement der bayerischen Justiz bei der Bekämpfung antisemitischer Straftaten.“
Der Zentrale Antisemitismusbeauftragte ist bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft München (ZET) angesiedelt. Dadurch kann er in besonders bedeutenden Fällen selbst bayernweit Ermittlungsverfahren wegen antisemitischer Straftaten führen. Eisenreich: „Wir haben damit sehr positive Erfahrungen gemacht. Durch seine herausgehobene Stellung kann der Zentrale Antisemitismusbeauftragte zusammenhängende Ermittlungsverfahren koordinieren und auf eine einheitliche Rechtsanwendung hinwirken. Hierdurch konnte beispielsweise konsequent gegen die Verwendung von Judensternen mit Aufschriften wie ‚Ungeimpft‘ bei Corona-Demonstrationen vorgegangen werden.“
Es soll nun geprüft werden, in welcher Weise Antisemitismusbeauftragte in den Staatsanwaltschaften, den Generalstaatsanwaltschaften oder zentral für die Justiz auch in anderen Bundesländern eingesetzt werden können. In Betracht kommen natürlich – unter Berücksichtigung der organisatorischen Besonderheiten der Länder – auch anders ausgestaltete Maßnahmen zur Vertiefung und Ausweitung der Netzwerktätigkeit bei der Bekämpfung antisemitisch motivierter Straftaten.
Eisenreich abschließend: „Wir tragen in Deutschland eine besondere Verantwortung, den Judenhass an den Rändern, in der Mitte der Gesellschaft und unter Zuwanderern zu erkennen, zu benennen und zu bekämpfen.“
Hintergrund:
Die bayerische Justiz geht mit einem Bündel an Maßnahmen gegen antisemitische Straftaten vor – und hat frühzeitig schlagkräftige Ermittlungsstrukturen geschaffen.
- 2017 nahm die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München ihre Arbeit auf. Inzwischen wurde die Ermittlerzahl verdoppelt. Nach fünf Jahren konnte die ZET mit mehr als 2000 eingeleiteten Verfahren eine Erfolgsbilanz ziehen.
- 2018 wurden drei Antisemitismus-Beauftragte der Bayerischen Justiz bei den drei Generalstaatsanwaltschaften München, Nürnberg und Bamberg eingesetzt. Seit Oktober 2021 hat die bayerische Justiz zusätzlich einen Zentralen Antisemitismus-Beauftragten. Er ist hauptamtlich für Verfahren wegen antisemitischer Straftaten mit besonderer Bedeutung bayernweit zuständig.
- Im Januar 2020 wurde Deutschlands erster Hate-Speech-Beauftragter vom bayerischen Justizminister zentral für ganz Bayern bestellt. Parallel dazu wurden Sonderdezernate für die Bekämpfung von Hate Speech bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften eingerichtet. Bei der Bekämpfung von Hasskriminalität kooperiert die bayerische Justiz mit der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM, „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“), mit kommunalen Spitzenverbänden und mit der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern). Alle Kooperationspartner haben Zugang zu einem Online-Meldeverfahren für Online-Straftaten. Damit können Prüfbitten oder Anzeigen schnell und unkompliziert an die ZET bei der Generalstaatsanwaltschaft München übermittelt werden.
- Damit antisemitische Motive nicht im Dunkeln bleiben, haben die drei bereits bestehenden Antisemitismus-Beauftragten der Generalstaatsanwaltschaften einen Leitfaden für Staatsanwälte entwickelt. Mit dem Leitfaden können antisemitische Motive leichter entschlüsselt werden (z.B. anhand von Nazi-Jahrestagen oder Codes).
- Bayern hat als erstes Bundesland in Deutschland die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) angenommen.
- Bayern hat sich auch rechtspolitisch in Berlin eingesetzt: Eine judenfeindliche Motivation wird im Gesetz ausdrücklich als strafschärfendes Tatmerkmal genannt. Die Bundesregierung hat den Vorschlag aus dem Freistaat im Jahr 2020 aufgegriffen (§ 46 Absatz 2 Strafgesetzbuch).
Quelle: Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 30. Mai 2022