Das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass die Ermächtigung zur Aufnahme von Notkrediten im Haushaltsgesetz 2024 verfassungswidrig ist (Az. LVerfG 1/24).

Das Gericht stellt in dem Urteil zunächst fest, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die SARS-CoV-2-Pandemie und die Ostseesturmflut im Oktober 2023 außergewöhnliche Notsituationen bzw. eine Naturkatastrophe darstellten, die sich der Kontrolle des Landes Schleswig-Holstein entzogen haben.

Der Gesetzgeber hat jedoch nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass diese Notlagen im Haushaltsjahr 2024 die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt haben. Ihm steht hierbei zwar ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu. Er muss jedoch seine Erhebungen und Prognosen bezüglich einer Erhöhung der Ausgaben oder einer Verminderung der Einnahmen im Notlagenbeschluss oder in den im Gesetzgebungsverfahren zum Haushalt erstellten Unterlagen dokumentieren und begründen. Die prognostizierte finanzielle Belastung des Landeshaushalts muss mindestens näherungsweise bestimmt werden. Je länger eine zugrundeliegende Notlage zurückliegt, umso genauer hat der Gesetzgeber seine Einschätzungen zu begründen. Darüber hinaus hat er darzulegen, dass und warum der festgestellte außerordentliche Finanzbedarf gemessen am Gesamthaushalt erheblich ist.

Aus dem Notlagenbeschluss und den im Verfahren zur Haushaltsaufstellung erstellten Dokumenten lässt sich zwar auf einige der wesentlichen, vom Gesetzgeber für seine Einschätzung in den Blick genommenen Faktoren schließen. Es ergibt sich aber kein Gesamtbild einer erheblichen finanziellen Beeinträchtigung. Insbesondere hat der Gesetzgeber – mit Ausnahme der durch die Ostseesturmflut entstandenen Schäden – keine Größenordnung der finanziellen Belastung genannt. Die insgesamt benannte Notkreditsumme als Summe der als kreditfinanziert geplanten Maßnahmen ist nicht mit der finanziellen Beeinträchtigung gleichzusetzen.

Auch hat der Gesetzgeber einen konkreten Bezug zwischen der Notlage und den durch die notlagenbedingte Kreditaufnahme finanzierten Maßnahmen zur Krisenbewältigung nur teilweise so dargelegt, wie es verfassungsrechtlich geboten ist. Ihm steht ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage zu, welche Maßnahmen er ergreifen will, aber er muss die Geeignetheit dieser Maßnahmen zur Überwindung und Vorbeugung der Notlage erläutern. Seine Darlegungslast ist insofern ebenfalls erhöht, wenn eine Notlage bereits länger zurückliegt, wenn in aufeinanderfolgenden Haushaltsjahren mehrfach Notkredite aufgrund derselben Notlage aufgenommen werden und wenn über Notkredite bereits zuvor geplante oder beabsichtigte, krisenunabhängige Maßnahmen finanziert werden sollen. Eine Auflistung und Begründung jeder einzelnen Maßnahme ist dabei allerdings nicht erforderlich.

Die Darlegungen im Notlagenbeschluss erfüllen diese Voraussetzungen in weiten Teilen nicht. Die fehlenden oder unplausiblen Begründungen im Notlagenbeschluss werden auch nicht durch Ergänzungen etwa in den Einzelplänen des Haushalts oder weiteren Materialien des Haushaltsgesetzgebungsverfahrensausreichend konkretisiert und komplettiert.

Der vom Landtag beschlossene Tilgungsplan genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, da aus ihm nicht eindeutig erkennbar ist, innerhalb welchen Zeitraums die Notkredite für das Haushaltsjahr 2024 getilgt werden sollen. Das bereits bestehende Tilgungsgesetz konnte durch den Notlagenbeschluss nicht geändert werden.

Soweit im Haushaltsgesetz 2024 das Finanzministerium ermächtigt wird, Haushaltstitel zu den aufgrund einer Krise erforderlichen Maßnahmen einzurichten, umzusetzen und zu ändern, wird damit der Regierung eine unangemessene Verfügungsmacht über den Haushalt eingeräumt, die die Budgethoheit des Parlaments verletzt.

LVerfG Schleswig-Holstein, 15.04.2025

Cookie Consent mit Real Cookie Banner