Die kurz nach einer dienstlich veranlassten Hepatitis-A/B-Schutzimpfung diagnostizierte Erkrankung eines Soldaten an Multipler Sklerose stellt keine Wehrdienstbeschädigung dar, da die Impfung und die Erkrankung medizinisch nicht in Zusammenhang zu bringen sind. Auch die Benennung von Multipler Sklerose als sehr seltene Nebenwirkung im Beipackzettel des Impfstoffs macht einen Zusammenhang nicht wahrscheinlich.

Soldaten, die im Rahmen ihres Wehrdienstes einen Gesundheitsschaden – eine sogenannte Wehrdienstbeschädigung – erleiden, können wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schädigungsfolgen Versorgungsleistungen, insbesondere eine Beschädigtenrente, erhalten. 

Über einen solchen Fall hat der 6. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) in einem aktuell veröffentlichten Urteil entschieden. Der dortige Kläger diente von 1999 bis 2010 zunächst als Grundwehrdienstleistender und im Weiteren als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr. Er beantragte im Jahr 2020 die Gewährung einer Beschädigtenversorgung, da er eine im Januar 2006 bei ihm diagnostizierte Multiple Sklerose (MS) auf eine truppenärztliche Pflichtimpfung mit einem Doppelimpfstoff gegen Hepatitis A und B im September 2005 zurückführte. Er leide unter Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Muskelschwäche, eingeschränkter psychischer Belastbarkeit und Taubheitsgefühlen. Bei ihm sei ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt. 

Das Bundesamt für Personalwesen der Bundeswehr hat einen Zusammenhang zwischen der Hepatitis-A/B-Schutzimpfung und der MS verneint und eine Beschädigtenversorgung abgelehnt.

Diese Entscheidung hat das LSG nun in zweiter Instanz, wie bereits zuvor das Sozialgericht Freiburg, bestätigt. Hierzu hat der entscheidende Senat – gestützt auf ein erstinstanzlich eingeholtes medizinisches Gutachten des Neurologen Prof. Dr. R., das auch durch ein weiteres Gutachten eines von dem Kläger ausgewählten Sachverständigen bestätigt worden ist – ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass die Impfung ursächlich für die MS-Erkrankung des Klägers sei oder einen Schub im Sinne einer Verschlechterung ausgelöst habe. Entsprechend dem Impfschadensrecht müssten die schädigende Einwirkung (Schutzimpfung), der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen (primären) Schädigung, also eine Impfkomplikation, und eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung (Impfschaden) im Vollbeweis nachgewiesen werden. Für die zwischen den Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reiche der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus. 

Bereits eine primäre Schädigung im Sinne einer Impfkomplikation sei nicht nachgewiesen. Nach den truppenmedizinischen Unterlagen habe der Kläger erstmals mehr als acht Wochen nach der Impfung einen Arzt konsultiert und nur typische Erkältungssymptome berichtet. 

Es mangele aber auch an einem rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und der Entstehung oder Verschlimmerung der MS. Für den Nachweis reiche es mitnichten aus, worauf der Kläger allein verweise, dass in den Angaben zu Nebenwirkungen in der Packungsbeilage eine MS als sehr seltene Nebenwirkung sowie in der Gelben Liste eine MS nach einer Hepatitis B-Impfung als Nebenwirkung ohne Angabe der Häufigkeit angegeben sei. Die Herstellerhinweise seien allein dem Ausschluss der Herstellerhaftung geschuldet und besagten nichts über einen wissenschaftlich belegten Ursachenzusammenhang. Es handele sich bei der MS um die häufigste chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung junger Menschen, welche typischerweise – wie auch beim Kläger – im frühen Erwachsenenalter beginne. Weiter würden oft schon lange Zeit vor der eigentlichen ärztlichen Diagnose Beschwerden geäußert. Das werde durch die Krankheitsdokumentation des Klägers – nach Unterlagen aus dem Januar 2006 seien seit drei Jahren Sensibilitätsstörungen zu verzeichnen – bestätigt. Des Weiteren spreche nach der aktuell geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Nach wissenschaftlicher Diskussion, ob vor allem auch Hepatitis B-Impfungen Auslöser einer MS sein könnten, hätten in mehreren systematischen Studien und Übersichtsarbeiten keine Zusammenhänge zwischen diesen Impfungen und MS nachgewiesen werden können. Auch dass die im Impfstoff enthaltenen aluminiumhaltigen Adjuvantien die behauptete Reaktion erklärten, sei wissenschaftlich widerlegt. Im Übrigen habe sich die Ständige Impfkommission (STIKO) mit einer möglichen Verursachung von Impfschäden durch Aluminiumverbindungen als Adjuvantien in Impfstoffen befasst und sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass im Vergleich zur Exposition etwa über Trinkwasser und Lebensmittel die Aluminium-Exposition durch Impfstoffe gering sei. Impfbedingte Schadensvermutungen seien daher weiterhin reine Spekulation. 

Urteil vom 13. Februar 2025, Aktenzeichen L 6 VS 735/24

LSG Baden-Württemberg, 19.03.2025

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