Die von einer Ärztin vor einer Feuerbestattung durchgeführte zweite Leichenschau stellt keine abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung dar.

Ob jemand beschäftigt und damit der Sozialversicherungspflicht unterliegt oder selbständig tätig ist, richtet sich im Sozialrecht nach den das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägenden Umständen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Eine abhängige Beschäftigung liegt bei einer Eingliederung in den Betrieb und einer Bindung an das Weisungsrecht des Arbeitgebers über Zeit, Dauer, Ort und Art der Leistung vor, während eine selbständige Tätigkeit ein eigenes Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die freie Gestaltung der Tätigkeit und Arbeitszeit voraussetzt.

In einem Anfang des Jahres vom 5. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg entschiedenen Fall war streitig, ob die beigeladene Ärztin in ihrer Tätigkeit als zweite Leichenbeschauerin bei der Klägerin, einer kreisfreien Gemeinde, abhängig und deswegen sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Die Durchführung einer zweiten Leichenschau ist Voraussetzung für die Freigabe zur Feuerbestattung. Hierfür muss bescheinigt werden, dass der Verstorbene eines natürlichen Todes gestorben ist. Diese Tätigkeit übernimmt die Beigeladene nach mündlicher Beauftragung jeweils im wöchentlichen Wechsel mit anderen Ärzten. Eine Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Friedhofs erfolgt insoweit, dass die Bereitstellung und das Entkleiden der Leichen zur zweiten Leichenschau durch einen städtischen Mitarbeiter erfolgt.

Die beklagte Rentenversicherung stellte Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung fest. Das Sozialgericht (SG), das über den Fall in erster Instanz entschieden hat, hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Ärztin ihre Tätigkeit nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt und damit keine Versicherungspflicht besteht.

Das LSG hat die Entscheidung des SG im Berufungsverfahren bestätigt. Wesentliches Argument für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit war für das Gericht, dass es sich bei der sog. zweiten Leichenschau um einen Hoheitsakt handelt. Eine schlichte Beauftragung von Privatpersonen zur Erfüllung dieser öffentlichen Verwaltungsaufgabe scheidet aus. Diese Aufgabe wird aufgrund behördlicher Ermächtigung kraft Beleihung auf Dritte übertragen, hier die beigeladene Ärztin. Diese übt dann nicht nur Hilfstätigkeiten im Auftrag der Gemeinde aus, sondern handelt mit eigener verwaltungsrechtlicher Kompetenz und übt eigene Hoheitsmacht aus. Sie stellt im eigenen Namen die Urkunde über die durchgeführte Leichenschau aus und handelt nicht bloß im Namen des städtischen Gesundheitsamtes, der Friedhofsverwaltung bzw. der Ortspolizeibehörde. Bereits dieser rechtliche Rahmen spricht nach Überzeugung des Senats für eine selbständige Tätigkeit. Darüber hinaus hat die Ärztin hinsichtlich des Inhalts der Tätigkeit völlig weisungsfrei gehandelt und gerade nicht arbeitsteilig mit Mitarbeitern der Klägerin „zusammengearbeitet“. Vielmehr ergeben sich die Tatsache, dass die Leichen von den Mitarbeitern bereitgestellt werden, ebenso wie der Ort (Friedhof) und der Zeitpunkt der Tätigkeit (nach dem Tod und vor der Einäscherung) allein aus der Art der Tätigkeit. Nicht zuletzt ist die Leistung der Beigeladenen gebührenpflichtig und die von der Beigeladenen hierfür verlangten Kosten in Höhe von 30,00 Euro pro Leichenschau werden von der Klägerin zunächst verauslagt, aber dann den Hinterbliebenen des Verstorbenen in Rechnung gestellt. Damit fehlt es den an die beigeladene Ärztin geleisteten Zahlungen auch an der Eigenschaft eines Arbeitsentgeltes.

Urteil vom 22. Januar 2025 – L 5 BA 1266/24

LSG Baden-Württemberg, 19.03.2025

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