
Die deutsche Wirtschaft kommt weiterhin nicht vom Fleck und dürfte in diesem Jahr das dritte Jahr in Folge stagnieren. Politische Unsicherheit durch die vorgezogenen Bundestagswahlen, aber auch die weltweiten handels- und geopolitischen Unwägbarkeiten treffen die deutsche Wirtschaft in einer fragilen Lage. Erst im kommenden Jahr ist mit einer deutlichen Erholung um 1,1 Prozent zu rechnen. Damit revidiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) seine Konjunkturprognose für Deutschland erneut leicht nach unten. Ein wesentlicher Grund dafür ist der private Konsum, der sich hierzulande trotz steigender Reallöhne schwächer als erwartet entwickelt. Angesichts der angespannten weltpolitischen Lage und Sorgen um den Arbeitsplatz halten sich viele Menschen in Deutschland mit größeren Anschaffungen zurück.

„Der Verlust der USA als verlässlichen politischen Partner stellt die künftige Bundesregierung vor große Herausforderungen und verschärft insbesondere für die exportorientierten Unternehmen die ohnehin schwierige Lage“, sagt DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlik. „Das geplante Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen könnte im kommenden Jahr für einen deutlich stärkeren Wirtschaftsaufschwung als prognostiziert sorgen.“
Schatten beim Export, Lichtblicke beim Verarbeitenden Gewerbe
Das Jahresende 2024 brachte einen Dämpfer für den deutschen Außenhandel. Die Nachfrage aus China und den USA ging stark zurück, was vor allem die Automobilindustrie zu spüren bekam. Im Jahr 2025 wird mit einer breiten Stagnation in nahezu allen Wirtschaftsbereichen gerechnet. Wirtschaftspolitische Unsicherheiten werden voraussichtlich vor allem die Exportwirtschaft ausbremsen.

„Trotz dieser Herausforderungen gibt es aber auch Lichtblicke: Mit den kurzen Sondierungsgesprächen und den jetzt schon anlaufenden Koalitionsgesprächen können wir schnell eine handlungsfähige Regierung erwarten, wodurch sich auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen rasch klarer abzeichnen dürften“, erwartet Konjunkturchefin Dany-Knedlik. Dies dürfte die seit dem Herbst letzten Jahres aufgehellte Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe weiter verbessern und den Arbeitsmarkt stabilisieren. Zwar wird für dieses Jahr ein leichter Anstieg der Arbeitslosigkeit erwartet, doch die Arbeitslosenquote bleibt auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. 2026 dürfte die Beschäftigung dann erneut etwas steigen. Die Löhne entwickeln sich weiterhin positiv, und die Inflation bleibt moderat. Die Teuerungsrate wird 2025 mit voraussichtlich 2,1 Prozent zwar leicht höher liegen als noch im Winter prognostiziert, im kommenden Jahr aber zum Stabilitätsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent zurückkehren. Die günstigeren Finanzierungsbedingungen stützen zudem die Entwicklung der Investitionstätigkeit. Bau- und Ausrüstungsinvestitionen dürften moderat zulegen, unterstützt durch eine steigende Nachfrage der öffentlichen Hand.
Weltwirtschaft trotzt der Unsicherheit
Derzeit ist Deutschland Schlusslicht unter den großen Euroländern. Insgesamt dürfte der Euroraum in diesem Jahr von derzeit noch bestehenden Zollasymmetrien profitieren, da die EU im Gegensatz zu China, Kanada und Mexiko noch nicht so stark von Zöllen betroffen ist. Weltweit wird aber die erratische Handelspolitik der US-Administration vor allem im Welthandel deutliche Spuren hinterlassen. Insgesamt dürfte die Weltwirtschaft nach 3,9 Prozent im Jahr 2024 trotz steigender Handelshemmnisse und Unsicherheit in diesem und im kommenden Jahr nicht viel weniger wachsen. Dass die Raten voraussichtlich nur noch bei 3,5 beziehungsweise 3,6 Prozent liegen, dürfte vor allem einer schwächeren US-Wirtschaft geschuldet sein, die am meisten unter ihrer eigenen Politik leidet.
DIW-Präsident Fratzscher: „Sondervermögen könnte deutsche Wirtschaft aus der Krise holen“
Hoffnung machen auch das geplante Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen und die Ausnahmen von der Schuldenbremse bei den Verteidigungsausgaben, die in dieser Prognose noch nicht als Annahme unterstellt sind. Allein das Sondervermögen könnte das Bruttoinlandsprodukt in den nächsten zehn Jahren um durchschnittlich mehr als zwei Prozent pro Jahr anheben. Daraus ergäbe sich im kommenden Jahr eine um einen Prozentpunkt höhere Wachstumsrate als im Fall ohne Sondervermögen. Das laufende Jahr wäre allerdings noch nicht betroffen: Die Investitionsprojekte benötigen eine Anlaufzeit; ein positiver Effekt auf das Wachstum wird daher frühestens 2026 erwartet.
„Die Stärkung öffentlicher Investitionen und eine Reduzierung wirtschaftlicher Unsicherheiten sollten für die neue Bundesregierung oberste Priorität haben. Zwar sind Sondervermögen nicht die ideale Lösung, sie könnten jedoch einen pragmatischen Ansatz bieten, um Deutschlands Investitionsschwäche zu kompensieren und die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu holen“, sagt DIW-Präsident Marcel Fratzscher
Für Fratzscher ersetzt die geplante Umgehung der Schuldenregeln durch das Sondervermögen noch nicht die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der Schuldenbremse und anderer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. „Zwei Stellschrauben sind für die Wirtschaft dabei besonders relevant: die Beseitigung des Arbeitskräftemangels und die Belebung des privaten Konsums. Für ersteres wird es darauf ankommen, die drei Millionen Schutzsuchenden besser und schneller in Arbeitsmarkt und Gesellschaft zu integrieren.“ Gleichzeitig müssten die Hürden für die Zuwanderung von hochqualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten gesenkt werden. Um sowohl die Binnennachfrage zu stärken als auch das Arbeitsangebot besser zu nutzen, seien gezielte Entlastungen für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen dringend nötig.
DIW, 14.03.2025