Im Jahr 2024 ist es der Wehrbeauftragten des Bundestages zufolge gelungen, die Rahmenbedingungen für die Bundeswehr zu verbessern. Noch immer habe aber die Bundeswehr nicht alles, was sie benötigt, um ihren Auftrag zu erfüllen, sagte Eva Högl am Dienstag bei der Überreichung ihres Jahresberichts 2024 (20/15060) an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Unabhängig davon könne man stolz sein auf die Leistungen der Soldatinnen und Soldaten, befand die Wehrbeauftragte. „Die 181.174 Frauen und Männer leisten jeden Tag einen herausragenden Dienst“, sagte Högl. 

Bundestagspräsidentin Bas zeigte sich erfreut, dass es in diesem Jahr erstmals am 15. Juni einen Veteranentag geben werde, den der Bundestag mit breiter Mehrheit beschlossen habe. Das sei ein gutes Signal, befand Bas.

Im Bericht der Wehrbeauftragten wird der angespannten Personalsituation viel Raum gegeben. „Genügend und vollständig einsatzbereites Personal ist der Schlüssel zur Verteidigungsfähigkeit“, heißt es in der Vorlage. Högl weist darauf hin, dass die Bundeswehr dem ursprünglich bis zum Jahr 2025 gesteckten, jedoch später zeitlich angepassten Ziel, eine Personalstärke von 203.000 Soldatinnen und Soldaten bis zum Jahr 2031 zu erreichen, im Berichtsjahr erneut nicht nähergekommen sei. Bereits jetzt stehe zudem in Frage, „ob diese Anzahl für die zukünftigen Herausforderungen überhaupt ausreichend ist“. Ende des Jahres 2024 habe die Stärke des militärischen Personals 181.174 aktive Soldatinnen und Soldaten betragen. Gleichzeitig, so Högl, werde die Bundeswehr immer älter. „Während das Durchschnittsalter Ende 2019 noch 32,4 Jahre betrug, ist es bis Ende 2024 auf 34 Jahre gestiegen“.

Im Berichtsjahr haben ihren Angaben nach rund 20.290 Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst bei der Bundeswehr angetreten, ein Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. So erfreulich die gestiegenen Zahlen bei Bewerbungen und Einstellungen auch seien – der hohe Anteil derjenigen, die den Dienst noch während der Probezeit abbrechen, bleibe weiterhin „äußerst problematisch“. Von den 2023 angetretenen 18.810 Soldatinnen und Soldaten hätten 5.100 (27 Prozent) die Bundeswehr wieder verlassen: 4.900 auf eigenen Wunsch durch Widerruf der Verpflichtungserklärung innerhalb der sechsmonatigen Probezeit und 200 durch Entlassungen. „Insgesamt verlässt jede beziehungsweise jeder Vierte die Bundeswehr wieder innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten“, teilt die Wehrbeauftragte mit. Die Anstrengungen, die hohe Abbruchquote deutlich zu senken, müssten erhöht und intensiviert werden, fordert sie. 

Die Wehrbeauftragte schaltet sich auch in die Debatte über die Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht ein. Das von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgestellte, aber aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen des Bundestages nicht verabschiedete Wehrdienstmodell sei ein guter und richtiger Vorschlag, so Högl. Auf Grundlage eines für volljährige Männer bindend und für volljährige Frauen freiwillig zu beantwortenden Fragebogens wäre danach eine Einladung zur Musterung und anschließend die Auswahl der Geeignetsten und Motiviertesten erfolgt. „Die Wehrbeauftragte befürwortet bereits seit Beginn ihrer Amtszeit ein sogenanntes Gesellschaftsjahr – also ein verpflichtendes Jahr für junge Frauen und Männer etwa im Umweltschutz, im sozialen Bereich oder bei der Bundeswehr“, heißt es in dem Bericht. 

Darin macht die Wehrbeauftragte auch deutlich, dass die Nato „das Fundament für unsere Sicherheit ist und bleibt“. Im Sommer 2024 habe das für Deutschland und die Partner existenzielle Bündnis sein 75-jähriges Bestehen gefeiert. Als ein besonderes Signal der Solidarität mit den Nato-Partnern und für die Landes- und Bündnisverteidigung sieht Högl die Aufstellung der Brigade Litauen. Die schon im Jahr 2023 geplante und seitdem im Aufwuchs befindliche Aufstellung der Panzerbrigade 45 sei in dieser Ausprägung erstmalig in der Geschichte der Bundeswehr. 

Einen entscheidenden Baustein für die Brigade Litauen stelle das Artikelgesetz Zeitenwende dar, das der Bundestag im Januar 2025 mit einer breiten Mehrheit beschlossen hat. „Es enthält viele wichtige Maßnahmen, die vor allem den Dienst in Litauen attraktiver gestalten sollen, unter anderem die Erhöhung der finanziellen Leistungen für Soldatinnen und Soldaten im Ausland, die Ausweitung des Anwendungsbereichs von Verpflichtungsprämien sowie die Vergütungsmöglichkeit für Mehrarbeit oder für besondere zeitliche Belastungen neben den Auslandsdienstbezügen“, heißt es in der Vorlage. Zur Verbesserung der sozialen Absicherung seien zudem die Anwendungsbereiche der Einsatzversorgung und der einmaligen Unfallentschädigung ausgeweitet und die finanziellen Leistungen bei Dienstunfähigkeit oder Tod verbessert worden.

Noch längst nicht erreicht ist nach Aussage der Wehrbeauftragten die vollständige Gleichstellung der Geschlechter in der Bundeswehr. „Soldatinnen sehen sich weiterhin nicht selten Vorurteilen, Diskriminierung und leider zuweilen sexueller Belästigung ausgesetzt“, schreibt Högl. Insgesamt habe sie im Berichtsjahr 48 Eingaben zu sexualisiertem Fehlverhalten erhalten.

Daneben habe sie die Ermittlungen zu 376 meldepflichtigen Ereignissen wegen des Verdachts auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beobachtet. Sehr zu begrüßen sei daher die Entscheidung des Verteidigungsministers, das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr mit einer wissenschaftlichen Dunkelfelduntersuchung zu Ursachen, Ausmaß und Folgen von sexualisiertem Fehlverhalten in der Bundeswehr zu beauftragen, heißt es in dem Wehrbericht.

HiB Nr. 115, 11.03.2025

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