Wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in einer heute veröffentlichten Analyse feststellt, steigt die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland im Februar nochmals an. Die Frühindikatoren zeigen jedoch, dass die jahrelange Phase steigender Insolvenzzahlen vorerst beendet sein könnte.

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im Februar bei 1 436 (vgl. Abbildung 1). Das sind 7% mehr als im Januar und 20% mehr als im Februar 2024. Der aktuelle Wert liegt zu­dem 54% über dem durchschnittlichen Februarwert der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie. Die Insolvenzzahlen bewegen sich damit weiter auf deut­lich erhöhtem Niveau. Die Zahl der Insolvenzen erreichte in Bayern, Niedersachsen und Sachsen die höchsten Werte seit Beginn der Datenerhebung auf Länderebene im IWH-Insolvenztrend im Januar 2020.

Schließungen großer Arbeitgeber führen häufig zu erheblichen und dauerhaften Einkommens- und Lohnverlusten bei den betroffenen Beschäftigten. Die Zahl der von Großinsolvenzen betroffenen Jobs liefert zudem eine gute Annäherung an die Gesamt­zahl der von Insolvenz betroffenen Arbeitsplätze. Laut IWH-Insolvenztrend waren im Februar in den größten 10% der insolventen Unternehmen fast 19 000 Arbeitsplätze betroffen. Damit liegt die Zahl der betroffenen Beschäftigten 40% höher als im Januar, 51% über dem Februarwert 2024 und mehr als dreimal so hoch wie im Durchschnitt eines typischen Februars der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019 (vgl. Abbildung 2). Besonders schwer getroffen war im Februar Baden-Württemberg, wo mehr als 5 500 Beschäftigte von Insolvenz betroffen waren, vornehmlich in der Industrie. Neben Baden-Württemberg verzeichnete auch Sachsen einen Höchstwert an betroffenen Jobs (2 600), was jedoch in erster Linie auf das insolvente Erz­gebirgsklinikum zurückzuführen ist, das eine Sanierung in Eigenverwaltung durch­führt.

Das IWH erhebt Frühindikatoren, die dem Insolvenzgeschehen um zwei bis drei Monate vorauslaufen. Basierend auf den Frühindikatoren der vergangenen Monate rechnet Steffen Müller, Leiter der IWH-Insolvenzforschung, für die Monate März und April mit konstanten oder leicht rückläufigen Insolvenzzahlen.

Erstmals seit Ende 2021 lagen die Frühindikatoren in den Monaten Dezember 2024 bis Februar 2025 unter dem jeweiligen Wert des Vorjahresmonats. Steffen Müller hält es daher für denkbar, dass die Trendwende bei den Insolvenzzahlen bevor­steht: „Es ist möglich, dass die jahrelange Phase steigender Insolvenzzahlen vorerst beendet ist.“ Gründe für die steigenden Insolvenzzahlen der jüngsten Vergangenheit waren laut Müller die schwierige konjunkturelle Lage sowie Nachholeffekte aus Pan­demie und Niedrigzinsphase, in denen Insolvenzen aufgeschoben wurden. Da sich die konjunkturelle Situation in den vergangenen Monaten nicht wesentlich verändert hat, hält Müller es für wahrscheinlicher, dass die Insolvenzzahlen stagnieren, weil die Nachholeffekte aus Pandemie und Niedrigzinsphase derzeit nicht weiter ansteigen.

IWH-Insolvenztrend: Hintergrund, Daten, Methodik

Deutlich schneller als die amtliche Statistik liefert der IWH-Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jeden Monat einen belastbaren Befund zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse weisen nur geringfügige Abweichungen von den amtlichen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben (vgl. Abbildung 3).

Der IWH-Insolvenztrend ist deshalb ein verlässlicher Frühindikator für das Insolvenz­geschehen und die wirtschaftliche Entwicklung. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise, gebündelt in der IWH-Insolvenz­forschungsstelle, gehört das Institut bundes­weit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet.

Die im IWH-Insolvenztrend gemeldeten Insolvenzen für Kapital- und Personengesell­schaften umfassen in der Regel mehr als 90% der von Unternehmensinsolvenz be­troffenen Arbeitsplätze und 95% der Forderungen. Damit bilden diese Zahlen verläss­lich die direkten volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Insolvenzgeschehens ab.

Auch die amtliche Statistik weist monatlich vorläufige Insolvenzzahlen aus. Diese beziehen sich jedoch auf alle Regelinsolvenzen. Regelinsolvenzen umfassen neben den im IWH-Insolvenztrend erfassten Personen- und Kapitalgesellschaften auch die gesamtwirtschaftlich wenig relevante Gruppe der Kleinstunternehmen. Zudem wer­den auch bestimmte natürliche Personen wie Selbstständige oder ehemals selbst­ständig Tätige mit unüberschaubaren Vermögensverhältnissen sowie privat haf­tende Gesellschafter und Einzelunternehmer gemeldet.

Regelinsolvenzen sind also nicht mit Unternehmensinsolvenzen gleichzusetzen. Die Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften macht weniger als die Hälfte der Regelinsolvenzen aus. Die prozentualen monatlichen Veränderungen bei den Regelinsolvenzen können sich aufgrund der Vielzahl gesamtwirtschaftlich un­bedeutender Insolvenzfälle deutlich von denen der Personen- und Kapitalgesell­schaften unterscheiden.

IWH, 06.03.2025

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