
Der Krake Paul hat bei der Weltmeisterschaft 2010 alle sieben Spiele Deutschlands und das Finale richtig vorhergesagt. Es gab eine Menge weiterer Orakel in dieser Zeit, keins schaffte die Trefferquote von Paul. Was der Krake Paul mit dem immunologischen Gedächtnis zu tun hat, welche Virusvarianten unser Immunsystem sogar vorhersehen kann und wie gut wir auf künftige Pandemien vorbereitet sind, darüber sprach Prof. Dr. Ulrich Kalinke vom „TWINCORE“, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, bei der Vortragsreihe des Oberlandesgerichts Celle am 25. Februar 2025.
Auf den Tag genau im Jahr 2020 wurde der erste Corona-Fall aus Heinsberg in Nordrhein-Westfalen gemeldet, erinnerte Stefanie Otte zu Beginn des Vortrages. „Aus Sicht von Laien ist es schon beeindruckend, wie schnell ein Impfstoff während der Corona-Pandemie gefunden wurde“, so diePräsidentin des Oberlandesgerichts Celle.
Und obwohl danach immer wieder neue Virusvarianten auftraten, waren Menschen nach der dritten Impfung geschützt, berichtete Prof. Dr. Ulrich Kalinke. „Kann das Immunsystem vorhersehen, was da noch kommen mag?“. Das ist eine der Kernfragen, die der Forscher und sein Team vom „TWINCORE“, einer gemeinsamen Einrichtung der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, sich stellen. „Wir wissen im Grunde nicht, wie Immunologie im Menschen funktioniert.“ Erst seit kurzem könne am Menschen selbst geforscht werden, die Technologie sei besser geworden unddie Kosten sänken, berichtete Prof. Dr. Ulrich Kalinke.
Fest steht aber: „Das immunologische Gedächtnis vergisst nicht.“ Dabei spielten die B-Gedächtniszellen eine zentrale Rolle. „Das Virus tritt in zufälligen Varianten auf und greift somit das Immunsystem mit einer Schar leicht unterschiedlicher Viren an“, so der Forscher. Doch die B-Gedächtniszellen reagierten und könnten während der Immunantwort Variationen in seine Antikörper integrieren. So könnten einzelne Antikörper ihre Eigenschaften verbessern und unter Umständen auch neue Virusvarianten erkennen.„Durch Zufall hatte Paul die richtige Lösung.“ Und B-Gedächtniszellen könnten ebenso passende Antikörper für neue Virusvarianten finden – mittels eines „eingebauten“ Zufallssystems.
Vortrag im Oberlandesgericht Celle: Sind wir gegen künftige Pandemien gewappnet?
Doch sind wir damit auch gegen künftige Pandemien gewappnet? Neue Technologien hätten wichtige Fortschritte ermöglicht und mit neuen Impfstoffen könne – wie bei Corona – schnell auf neue Viren reagiertwerden. „Sie sehen, wir haben immens viel gelernt“, so Prof. Dr. Ulrich Kalinke. Vor dem Ausbruch der COVID-19 Pandemie hätten die Expertinnen und Experten schon im Dezember 2019, also einige Wochen vor der ersten Infektion in Deutschland, vor Risiken gewarnt. Mit Sorge blickt der Wissenschaftler allerdings auf den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation. Viel Geld, Wissen und vor allem die Vernetzung gehe dadurch verloren. „Die globale Zusammenarbeit ist entscheidend.“
Die erste Pockenschutzimpfung wurde übrigens unter haarsträubenden Bedingungen im Jahr 1796 getestet, sagte Prof. Dr. Ulrich Kalinke. Für viele hatte die damals ganz neu erprobte Impfung schlimmeNebenwirkungen. „Aber die Gesellschaft hat in der Folge massiv profitiert“, die Pocken sind mittlerweile ausgerottet. „Wir sehen hier eine Erfolgsgeschichte der Impfung.“ Und das ist ein Rat, den der Experte auch in Sachen künftiger Pandemien gibt: „Wir tun gut daran, unsere Immunität zu pflegen.“
OLG Celle, 28.02.2025