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„Die Arbeit geht uns nicht aus“, erklärte Vizepräsident Jörg Sander beim heutigen Jahrespressegespräch des Oberverwaltungsgerichts. „Die Verfahrenszahlen steigen, und da ist es wichtig, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen nicht nur ihre Stellen erhalten konnte, sondern zuletzt gerade mit Blick auf die Asylverfahren noch durch drei zusätzliche Kammern personell verstärkt wurde.“
Bei den sieben nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten sind im Jahr 2024 rund 58.600 neue Klagen und Anträge eingegangen, das sind 15 % mehr als im Vorjahr (51.000). Dies lässt sich zu einem großen Teil auf die weiter gestiegene Zahl der Asylverfahren zurückführen: 26.500 neue Asylverfahren im Jahr 2024 bedeuten eine Zunahme um rund 29 % gegenüber dem Jahr zuvor (20.600). Damit setzt sich ein seit Jahren zu beobachtender Trend fort. Seit 2021, als 13.800 neue Verfahren eingingen, haben sich die Neueingänge im Asylrecht nahezu verdoppelt. „Wir freuen uns, dass es den Verwaltungsgerichten gleichwohl gelungen ist, die Verfahrensdauern weiter zu verringern – in Asylverfahren von rund 25 Monaten im Jahr 2021 auf rund 15 Monate im Jahr 2024“, berichtete Vizepräsident Sander. Nur ein kleiner Teil der von den Verwaltungsgerichten entschiedenen Asylklagen geht in die zweite Instanz: Beim Oberverwaltungsgericht sind 2024 rund 1.600 Rechtsmittel eingegangen, allerdings deutlich mehr als 2023 (950). Die Verfahrensdauer betrug hier bei den Asylverfahren im Jahr 2024 durchschnittlich 9 Monate, nach noch rund 14 Monaten im Jahr 2023.
Das Oberverwaltungsgericht ist in anderen Rechtsmaterien zunehmend als erstinstanzliches Gericht gefordert. 2024 sind 274 neue Hauptsacheverfahren eingegangen, 2023 waren es noch 218 Neueingänge. Während das Gericht mit Sitz in Münster schon immer für sogenannte Normenkontrollanträge gegen Bebauungspläne oder Klagen gegen bestimmte Planfeststellungsbeschlüsse unmittelbar zuständig war, hat der Gesetzgeber die erstinstanzlichen Zuständigkeiten in den letzten Jahren kontinuierlich ausgeweitet. Seit 2019 ist in Nordrhein-Westfalen die Normenkontrolle auch möglich bei anderen Satzungen und Rechtsverordnungen. Das hat es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, gegen die verschiedenen Coronaschutzverordnungen unmittelbar das Oberverwaltungsgericht anzurufen. Genutzt wird das Instrument auch, um etwa gegen Gebührensatzungen oder Verordnungen der Kommunen zu Sonntagsöffnungen vorzugehen. Seit Ende 2020 ist das Oberverwaltungsgericht landesweit für alle neuen Streitfälle um die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Windenergieanlagen mit einer Höhe von mehr als 50 Metern erstinstanzlich zuständig – und damit faktisch für alle neuen Anlagen. Der Bearbeitungsaufwand ist bei erstinstanzlichen Verfahren oftmals höher als bei den Rechtsmittelverfahren, weil nicht auf Vorarbeiten der Verwaltungsgerichte zu den vielfach schwierigen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zurückgegriffen werden kann. Deshalb ist die Verfahrensdauer auch im Durchschnitt länger als bei der zweitinstanzlichen Rechtsprechungstätigkeit. 2024 betrug sie bei Hauptsacheverfahren durchschnittlich rund 17 Monate.
Im Anschluss an den Bericht des Vizepräsidenten zur Geschäftslage informierte Dr. Gerald Buck, Vorsitzender des für Aufenthaltsrecht zuständigen 18. Senats, über das Ausländerrecht und gewährte Einblicke in die verwaltungsgerichtliche Praxis.
OVG NRW, 21.02.2025