Innenminister Peter Beuth hat gemeinsam mit Vertretern der hessischen Bankenwirtschaft und der hessischen Polizei die „ALLIANZ GELDAUTOMATEN“ vorgestellt. Nach der heutigen Gründung im Hessischen Innenministerium gehören der Allianz zum Start 15 hessische Kreditinstitute an. Im Kampf gegen schwerkriminelle Geldautomatensprenger, die im vergangenen Jahr 56 Automaten in Hessen beschädigten und zum Teil vollständig in die Luft jagten, setzt die hessische Polizei künftig auf eine noch intensivere Zusammenarbeit mit den Sicherheitsexpertinnen und -experten der Privat- und Genossenschaftsbanken sowie der Spar­kassen. Die hessische Allianz ist bundesweit einmalig. Sie hat das Ziel, die Anzahl von Geldautomatensprengungen in Hessen signifikant zu senken, um so insbesondere die Gefahr für Personen- und Sachschäden weiter zu minimieren. 16 Fälle von Geldautomatensprengungen verzeichnete das Hessische Landeskriminalamt im laufenden Jahr. Mit dem Risikoanalysetool „GLB operativ“ (Geldautomatenlagebild operativ) sollen künftig Geldautomatensprengungen in Hessen noch effektiver verhindert und der Druck auf reisende Täter deutlich erhöht werden.

Innenminister Peter Beuth sagte: „Ob in einem Freizeitpark oder in einem Einkaufszentrum: für die Sprengung eines Geldautomaten schrecken Kriminelle mittlerweile vor nichts mehr zurück. Die skrupellosen Täter setzen mittlerweile überwiegend hochgefährliche Festsprengstoffe ein, die ganze Filialen zerstören und dabei rücksichtslos die Leben von unbeteiligten Dritten, wie Anwohner und Bankkunden gefährden. Mit der Kooperation werden wir die Zusammenarbeit zwischen Bankenwirtschaft und Polizei intensivieren, unsere gemeinsame Expertise und gemeinsame Kraft noch stärker bündeln, um den Druck auf Sprenger-Banden deutlich zu erhöhen und es ihnen so schwer wie möglich zu machen. Diese Allianz steht auf dem Fundament einer langjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit der hessischen Sicherheitsbehörden und der Banken. Sie hat mit gemeinsamen Kräften bereits den Bankraub auf ein Minimum reduziert und wird auch das Phänomen Geldautomatensprengung erfolgreich bekämpfen. Dieser effiziente und zugleich gesellschaftlich wertvolle Schulterschluss ist bundesweit einzigartig und wird für die gesamte Bundesrepublik Deutschland beispielgebend sein. Wir gehen entschlossen gegen diese organisierten Strukturen vor, um sie nachhaltig zu zerschlagen. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit möchte ich mich schon jetzt bei allen 15 Gründungsmitgliedern bedanken.“

Bankenwirtschaft und Polizei tauschten sich in den vergangenen Monaten aus

Bereits seit 2019 gibt es eine eigens zur Bekämpfung von Geldautomatensprengungen eingerichtete Ermittlungsgruppe. Durch intensive Ermittlungen ist es seither dem Landeskriminalamt gelungen, mehr als 30 Tatverdächtige zu ermitteln und in Haft zu bringen. Nach dem Anstieg von Geldautomatensprengungen im vergangenen Jahr wurde auf Initiative des Hessischen Innenministers Peter Beuth Ende 2021 eine Besondere Aufbauorganisation (BAO effectus) im Hessischen Landeskriminalamt gegründet, die sich im vergangenen halben Jahr und im Rahmen mehrerer Arbeitssitzungen mit Vertretern der hessischen Kreditwirtschaft über effektive Maßnahmen beraten hat. Aus dieser engen Zusammenarbeit hat sich nunmehr die bundesweit einmalige Präventionsinitiative „ALLIANZ GELDAUTOMATEN“ gegründet, die in Wiesbaden mit einer Gründungsurkunde besiegelt wurde.

„Geldautomaten sind schon lange im Visier von Kriminellen. Wir feilen deshalb ständig an Sicherheitskonzepten und entwickeln diese weiter – zum Schutz unserer Kunden. Die vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit mit den hessischen Sicherheitsbehörden ist der Schlüssel für noch mehr Sicherheit. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das gemeinsame und abgestimmte Vorgehen von Erfolg gekrönt sein wird“, sagte Jürgen Schäfer, Vorstandsmitglied der Wiesbadener Volksbank eG.

Holger Dietz, Abteilungsdirektor beim Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, betonte: „Der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen vertritt die gemeinsamen Interessen von 33 Sparkassen in Hessen und 16 in Thüringen und unterstützt sie natürlich auch in allen sicherheitspolitischen Fragen. Der noch engere Austausch mit der hessischen Polizei aber auch mit allen anderen Kreditinstituten in Hessen wird von uns uneingeschränkt befürwortet. Denn das koordinierte Vorgehen wird helfen, die Geldautomatensprengungen in Hessen wirksam zu bekämpfen.“

Auch für Günter Groß, Bereichsleiter der Volksbank Rhein-Limburg-Lahn, ist der Zusammenschluss folgerichtig: „Mit der ALLIANZ GELDAUTOMATEN wollen wir dabei mithelfen, dass Geldautomatensprengungen hessenweit weiter zurück gehen. Am Ende schützen wir damit nicht nur Filialen und Gebäude, sondern im Zweifel auch Menschenleben.“

16 Geldautomatensprengungen in 2022

Das Bundeskriminalamt verzeichnete deutschlandweit 414 Sprengungen im Jahr 2020 und 392 Taten im Jahr 2021. Dies sind die höchsten Fallzahlen seit Aufnahme dieses Deliktes in die Polizeilichen Kriminalstatistik im Jahre 2005. Dieser Trend setzt sich in großen Teilen der Bundesrepublik auch im Jahr 2022 fort. In Hessen gab es im laufenden Jahr 16 Fälle von Automatensprengungen (Vorjahreszeitraum: 18 Fälle). Die aktuelle Diebstahlsumme liegt 2022 bei rund 270.000 Euro. Hinzu kommen Sachschäden von mehr als 2,6 Millionen Euro.

„Die Anzahl der Sprengungen ist Hessen zu hoch. Deshalb ist es notwendig, dass wir unsere gemeinsamen Aktivitäten im Kampf gegen diese Form der Organisierten Kriminalität noch stärker bündeln. Dass unsere Kooperation einen Mehrwert bietet, zeigt zum Beispiel ganz konkret eine Festnahme von drei Tatverdächtigen durch Spezialkräfte im März dieses Jahres im mittelhessischen Ober-Mörlen. Im Zuge der weiteren Ermittlungen konnten Experten des Hessischen Landeskriminalamtes feststellen, dass die Täter offenbar insgesamt drei Geldautomaten in Hessen sprengen wollten. Nach Abgleich mit den seitens der Banken zur Verfügung gestellten Zahlen haben wir hierbei festgestellt, dass die drei Geldautomaten allesamt durch unser Analysetool als besonders gefährdet bewertet wurden, was erstmals die Wirksamkeit der Prognosesoftware eindrucksvoll untermauert hat“, erklärte Andreas Röhrig, Präsident des Hessischen Landeskriminalamtes.

Neues Analysetool „GLB-operativ“

Das Risikoanalysetool „Geldautomatenlagebild (GLB)-operativ“ kann alle Geldautomaten, die mit qualitativen Daten (wie Standort, Fabrikat, Sicherheitsvorkehrungen) hinterlegt sind, einer Risikobewertung unterziehen und anschließend eine Wahrscheinlichkeitsprognose erstellen. An der ALLIANZ GELDAUTOMATEN teilnehmende Kreditinstitute unterstützen – zum Zwecke dieser Aufbereitung und angelehnt an ein bundeseinheitliches Raster – die Zulieferung von qualifizierten Daten (etwa Angaben zu Eigenschaften der Geldautomaten, installierten Präventionselementen, oder Angaben zu den Standorten, in denen sich Geldautomaten befinden). Sicherheitsexperten des HLKA haben mit einer ähnlichen Prognosesoftware bereits sehr gute Erfahrungen beim Kampf gegen den Wohnungseinbruchdiebstahl gemacht. Auch diese inzwischen standardisierte Datenanalyse ist ein Grund, warum die Zahl der Einbrüche in Hessen von 2017 bis 2021 um mehr als 50 Prozent gesenkt werden konnte. In dem Bewusstsein, wie wichtig dieses neue Tool zum Schutz der Filialen und der Bürgerinnen und Bürger ist, haben inzwischen eine Vielzahl der Banken in Hessen ihre Daten mit der hessischen Polizei geteilt.

Gemeinsame Präventionsstrategien und Testsprengungen

Die Mitglieder der Allianz erklären sich bereit, den Ausbau präventiver Elemente an erkannten Risiko-Standorten zu priorisieren. Die Ausgestaltung der präventiven Maßnahmen richtet sich hierbei nach den individuellen Sicherheitskonzepten der Kreditinstitute, die seitens des Landeskriminalamtes sowie der regionalen Polizeipräsidien fortlaufend und individuell beraten werden. Zu diesen Maßnahmen gehören beispielsweise Nachtverschluss, Videoüberwachung, Nebeltechnik oder etwa die Verwendung von Einfärbe-/Klebeschutz. Die hessische Polizei wird im partnerschaftlichen Dialog mit den Kreditinstituten ihre Erfahrungen und Erkenntnisse bei der Entwicklung von individuellen Präventionslösungen und Kombinationen von Präventionselementen einbringen. Gleichzeitig werden weiter gemeinsame Testsprengungen mit Sprengspezialisten des HLKA durchgeführt, um neue Sicherheitsmaßnahmen einer realistischen Härteprobe zu unterziehen.

„Mit Blick auf explodierende Fallzahlen gesprengter Geldautomaten begrüßt die SEG Sparkassen-Einkaufsgesellschaft als zentraler Einkaufsdienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe die Präventionsinitiative. Wir nehmen unsere Aufgabe wahr, deutschlandweit unsere Institute bei der Gefahrenabwehr mit geeigneten Produkten und Lösungen umfassend und unkompliziert zu unterstützen“,erklärt Thomas Schwolow, Geschäftsführer der Sparkassen-Einkaufsgesellschaft.

Die Allianz und die damit verbundene Zusammenarbeit beschränkt sich nicht nur auf Empfehlungen für Sicherungsmaßnahmen, wie es in der Vergangenheit bundesweit praktiziert wurde, sondern sie umfasst darüber hinaus noch gemeinsame Kommunikationsstrategien, sowie die Setzung verschiedener Themenschwerpunkte. So hat bereits im Verbund eine Testsprengreihe stattgefunden. Der Wissenstransfer mit den Herstellern von Geldautomaten sowie der Austausch mit der Justiz und der Bundesbank werden in den kommenden Monaten weiter intensiviert.

Hintergrund:

ALLIANZ GELDAUTOMATEN

Die „ALLIANZ GELDAUTOMATEN“ dient dem bereits etablierten Vertrauens- und Wissensaustausch zwischen den unterzeichnenden Instituten und Sicherheitsbehörden. Die gemeinsam unterzeichnete Gründungsurkunde intensiviert diesen und dient als ein Beispiel für ein auf Freiwilligkeit beruhendes bundesweites Sicherheits- und Präventionskonzept.  Derzeit existiert noch keine gesetzliche Grundlage, Präventionselemente einzeln oder im Zusammenwirken vorzuschreiben. Inwiefern hierfür eine gesetzliche Änderung nötig ist, um Kreditinstitute zu entsprechenden Schutzmaßnahmen zu verpflichten, wird auch im Rahmen der Innenministerkonferenz zurzeit diskutiert. Ziel der Allianz ist es ohne gesetzliche Regelung gemeinsam Präventionsmaßnahmen zu prüfen und zu realisieren, um schnellstmöglich die Tatgelegenheiten signifikant zu senken und somit die Gefahr für Personen- und Sachschäden zu minimieren. Dazu setzen sich die Parner intensiv mit Täterstrukturen auseinander, um diese zu erkennen und einzudämmen.

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