Die Verkehrsregelungen in Essen auf der Rüttenscheider Straße im Bereich des „Rüttenscheider Sterns“ und der Kreuzung mit der Christophstraße aufgrund von verkehrsrechtlichen Anordnungen der Stadt Essen vom 8. und 18. Oktober 2024 sind rechtswidrig. Dies hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mit Beschluss vom 21. Januar 2025 entschieden. Das Gericht hat der Stadt Essen aufgegeben, die entsprechenden Schilder zu entfernen oder unkenntlich zu machen und dadurch die ursprüngliche Verkehrsregelung wiederherzustellen, bis über die Klage gegen die verkehrsrechtlichen Anordnungen aus Oktober 2024 entschieden ist. Damit hatte der Eilantrag einer Einwohnerin der Stadt gegen die Anordnungen Erfolg.
Nach den von der Stadt Essen angeordneten Abbiegegeboten und Durchfahrtsverboten dürfen Kraftfahrzeuge die Kreuzung Rüttenscheider Straße/ Zweigert-, bzw. Klarastraße in südliche Richtung nicht mehr überqueren, sondern müssen nach rechts oder links abbiegen. Nur Radfahrer dürfen noch geradeaus über die Kreuzung in die, in diesem Bereich durchgehend als Fahrradstraße geführte, Rüttenscheider Straße fahren. Von der die Kreuzung aus östlicher Richtung querenden Klarastraße aus dürfen Kraftfahrzeuge nicht mehr als Linksabbieger in die Rüttenscheider Straße einfahren. Von der Zweigertstraße aus westlicher Richtung dürfen Kraftfahrzeuge nach rechts in die Rüttenscheider Straße abbiegen, allerdings ist ab der Kreuzung Christophstraße die Durchfahrt in südlicher Richtung gesperrt. Diese Regelung soll ein Verkehrskonzept zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse auf der Rüttenscheider Straße umsetzen.
Das Gericht hat diese Verkehrsregelung als offensichtlich rechtswidrig beurteilt. Die von der Straßenverkehrsordnung (StVO) für eine solche Beschränkung des fließenden Verkehrs geforderten tatsächlichen Voraussetzungen seien weder belegt noch allgemein ersichtlich. Für die streitigen Verkehrsanordnungen im Oktober 2024 gölten nicht die geringeren Anforderungen der StVO für Verkehrszeichen bei Einrichtung von Fahrradstraßen. Die streitigen Abbiegegebote und Durchfahrtsverbote gingen über die Einrichtung einer Fahrradstraße hinaus. Deren Einrichtung sei zudem bereits im Jahr 2020 erfolgt.
Nach den allgemeinen Regelungen der StVO habe das Aufstellen von Verkehrszeichen Ausnahmecharakter. Die Anordnung von Abbiegegeboten und Durchfahrtsverboten setze einen zwingenden Grund aufgrund einer aus den örtlichen Verhältnissen folgenden besonderen Gefahrenlage voraus. Diese Gefahrenlage müsse die üblichen Gefahren des Straßenverkehrs erheblich übersteigen.
Bevor die Straßenverkehrsbehörde die Anbringung eines Verkehrszeichens beschließt, sei sie zur Prüfung der objektiven Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verpflichtet und müsse dies besonders darlegen. Dies erfordere eine tatsachengestützte Gefahrenprognose. Die Stadt Essen habe für den hier streitigen Bereich bereits keine objektive Gefahrenlage belegt. Das von ihr angeführte Motiv, die als unübersichtlich empfundene Verkehrssituation zu verbessern, genüge dazu allein nicht.
Den im Gerichtsverfahren von der Stadt vorgelegten weiteren Unterlagen habe das Gericht keine Anhaltspunkte entnehmen können, dass sie die relevanten verkehrlichen Verhältnisse mit Blick auf die Verkehrsbelastung, die Unfallursachen und ein den Radverkehr gefährdendes Verkehrsaufkommen ermittelt und zur Grundlage ihrer Beschlussfassung gemacht habe. Zahlreiche dieser Dokumente (Berichte, Niederschriften und Statistiken) hätten keine Grundlage der Beschlussfassung über die Anordnung der streitigen Verkehrsregelungen sein können. Sie seien erst nachher verfasst worden.
Die vorgelegten Unterlagen ließen nach Auffassung der Kammer überwiegend auch inhaltlich nicht erkennen, welche sicherheitsrelevanten Tatsachen, insbesondere in Bezug auf ein den Radverkehr gefährdendes Verkehrsaufkommen, der Beschlussfassung zugrunde gelegen hätten.
Die erst im Gerichtsverfahren von der Stadt herangezogenen Unfalldaten aus den Jahren 2021 bis 2024 belegten die erforderliche Gefahrenlage ebenso wenig. Das Gericht konnte darin keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen den konkreten örtlichen Gegebenheiten sowie insbesondere einem zu hohen Verkehrsaufkommen insgesamt auf der Rüttenscheider Straße und dem Unfallgeschehen erkennen.
Darüber hinaus habe die Stadt – ebenso wie bereits im Bereich des Übergangs von der Huyssenallee in die Rüttenscheider Straße – das bei der Anordnung von ihr auszuübende Ermessen nur unzureichend erkannt und umgesetzt. Sie habe die Auswirkungen der Verkehrsumleitung durch ihre Anordnung auf die Verkehrssituation auf der Rüttenscheider Straße sowie die nunmehr zu nutzenden, überwiegend engen oder wie die Alfredstraße (B224) vielbefahrenen Zuwegungen, nicht ausreichend in die Betrachtung einbezogen. Zudem habe sie die Belange der unmittelbaren Anlieger nicht berücksichtigt. Die insoweit nachträglich im Gerichtsverfahren vorgetragenen Erwägungen beurteilte das Gericht als nicht tragfähig. Die Stadt Essen habe nicht ansatzweise dargelegt, inwieweit die angeordneten Abbiegegebote die konkret zur Begründung herangezogenen Unfälle mit Radfahrerbeteiligung verhindert hätten.
Das Gericht hat bereits im Beschluss vom 8. November 2024 – 14 L 1721/24 – (vgl. Pressemitteilung vom 8. November 2024) das Abbiegegebot am Ende der Huyssenallee in Essen (Kreuzungsbereich Friedrichstraße/Hohenzollernstraße) als offensichtlich rechtswidrig beurteilt. Keine Verfahrensrelevanz hatte dort wie hier die Frage, ob die getroffene Anordnung die beste mögliche Variante von mehreren in einem von der Stadt Essen in Auftrag gegebenen Gutachten aufgeführten Verkehrsführungen sei.
Gegen den Beschluss ist die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zulässig.
Die Entscheidung wird in Kürze in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes www.nrwe.de veröffentlicht.
Aktenzeichen: 14 L 2046/24
VG Gelsenkirchen, 22.01.2025