Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat heute entschieden, dass auch von der Strafjustiz beschlossene Geldauflagen insolvenzrechtlich angefochten und zurückgefordert werden können. Das Land ist dabei auch für Zahlungen, die nicht der Landeskasse, sondern gemeinnützigen Einrichtungen zugutekommen, richtiger Anfechtungsgegner.
Der Kläger ist seit Mai 2021 Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners. Ein gegen den Schuldner eingeleitetes Strafverfahren wegen vorsätzlicher Marktmanipulation war im März 2021 vom Landgericht Frankfurt am Main gegen Zahlung einer Geldauflage von 100.000 € nach § 153a Abs. 2 StPO (vorläufig) eingestellt worden. Leistungsempfänger der Geldauflage sollten u.a. das hier beklagte Land Hessen und drei gemeinnützige Einrichtungen sein. Um die Geldauflage zu erfüllen, schloss der Schuldner Darlehensverträge über 100.000 € mit Gesellschaften ab, deren Anteile seinen Eltern gehörten. Anschließend zahlte er noch im März 2021 die Geldauflage an die vorgesehenen vier Empfänger.
Der Kläger begehrt nunmehr diese Zahlungen zurück. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG Erfolg. Der für Insolvenzrecht zuständige 4. Zivilsenat führte aus, dass die vom Schuldner gezahlten Geldauflagen insolvenzrechtlich anfechtbar seien, sodass ein Rückgewähranspruch bestehe. Dabei sei das Land auch für Zahlungen, die an gemeinnützige Einrichtungen geleistet worden seien, richtiger Anfechtungsgegner. Eine insolvenzrechtlich relevante Rechtsbeziehung bestehe trotz einer Geldauflage für eine gemeinnützige Einrichtung nur zwischen dem Angeklagten eines Strafverfahrens und der Strafjustiz des Landes. Der Angeklagte wollte ausschließlich an das Land leisten, damit dessen Strafjustiz das gegen ihn gerichtete Strafverfahren einstellt.
Das Land Hessen als Anfechtungsgegner sei hinsichtlich der Geldauflage auch einem Insolvenzgläubiger gleichgestellt. Geldauflagen nach § 153a StPO ähnelten trotz strafprozessualer Unterschiede den in der Insolvenzordnung aufgeführten Geldzahlungsverpflichtungen in Form von Geldstrafen, Geldbußen und Ordnungsgeldern, die kraft Gesetzes die Stellung eines (nachrangigen) Insolvenzgläubigers begründeten. Zudem erfasse die hier maßgebliche Anfechtungsvorschrift (§ 131 InsO) auch solche Anfechtungsgegner, die objektiv keinen Anspruch auf Befriedigung hätten, ihren Anspruch also nicht einklagen könnten. Hier habe das Land keinen klagbaren Anspruch auf Erfüllung der Geldauflagen gehabt (Anm.: Wenn der Schuldner die Geldauflagen nicht gezahlt hätte, wäre das Strafverfahren fortgesetzt worden und die Einstellung hinfällig). Damit sei eine Gleichstellung mit einem Insolvenzgläubiger im Sinne der InsO gerechtfertigt.
Auch die weiteren Voraussetzungen der Anfechtung lägen vor. Der Schuldner sei zum Zeitpunkt der Begleichung der Geldauflagen zahlungsunfähig gewesen. Die Zahlungen seien auch innerhalb der kurzen Anfechtungsfrist von bis zu drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt worden.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtslage hinsichtlich der Möglichkeit der Insolvenzanfechtung von Geldauflagen unklar sei.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 15.01.2025, Az. 4 U 137/23
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 28.07.2023, Az. 2-07 O 246/23)
OLG Frankfurt am Main, 15.01.2025