Entlastung ist das Wort der Stunde: Alle großen Parteien wollen nach der kommenden Bundestagswahl Steuern für Bürger und Unternehmen senken. Doch die Instrumente und Folgen fallen unterschiedlich aus, zeigen neue Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
In dieser Woche stellen die großen Parteien ihre Wahlprogramme vor, schon jetzt sind die Inhalte durchgesickert: Setzt die Union ihre Vorschläge um, entlastet das die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen insgesamt um knapp 90 Milliarden Euro, zeigen neue IW-Schätzungen. Bei der SPD wären es gut 30 Milliarden Euro. Am größten sind die geplanten Entlastungen bei der FDP mit schätzungsweise 138 Milliarden Euro. Bei den Grünen stünden etwa 48 Milliarden Euro zu Buche.
Union will Haushalte um mehr als 40 Milliarden Euro entlasten
Allein mit der Abflachung des Einkommensteuertarifs, wie die Union sie vorschlägt, hätten die Steuerzahler 35 Milliarden Euro mehr zur Verfügung (s. Tabelle). Außerdem will die Union, dass sich Überstunden für Arbeitnehmer und Weiterarbeiten für Rentner steuerlich mehr lohnen, die Entfernungspauschale soll steigen, in der Gastronomie soll die Mehrwertsteuer gesenkt werden. Kosten dieser Maßnahmen: gut zehn Milliarden Euro.
Bei der SPD fallen die Steuersenkungen für private Haushalte kleiner aus, hier bleiben Normalverdienern rund 15 Milliarden Euro mehr. Die Partei will zudem die Mehrwertsteuer für Lebensmittel reduzieren, das würde vier Milliarden Euro kosten. Dafür soll der Spitzen- und Reichensteuersatz steigen. Weitere Ideen: Die Erbschaftssteuer soll verschärft, die Vermögensteuer reaktiviert und die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge abgeschafft werden. Das zusammen würde 19 Milliarden Euro in die Kassen spülen.
Große Entlastungen hat die Union auch für Unternehmen in petto. Die Senkung der Körperschaftssteuer sowie attraktivere Abschreibungsregeln würden 20 Milliarden Euro kosten. Die SPD will die Unternehmen über eine Prämie für Investitionen in Maschinen und Geräte entlasten. Kostenfaktor: ebenfalls schätzungsweise 20 Milliarden Euro.
FDP will bei Einkommensteuer um 95 Milliarden entlasten
Die Grünen setzen in ihrer Steuerpolitik vor allem auf Entlastungen für Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Geplant sind eine Anhebung des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer sowie die Einführung eines Klimagelds, addiert wäre dies eine Entlastung von mehr als 20 Milliarden Euro. Stromsteuer und Netzentgelte sollen sinken, das käme Bürgern wie Unternehmen zugute. Private Investitionen will die Partei durch eine Investitionsprämie ankurbeln. Eine höhere Belastung könnte hingegen bei der Erbschaftsteuer auf Erben größerer Vermögen und Milliardäre zu.
Bei der FDP fallen die Entlastungsvorhaben größer aus: Bei der Einkommensteuer will die Partei den Einkommensteuertarif schrittweise abflachen – eine Entlastung von in Summe gut 95 Milliarden Euro. Die Steuerbelastung der Unternehmen soll auf 25 Prozent und damit einen international wettbewerbsfähigen Satz sinken. Zudem soll der Solidaritätszuschlag endgültig entfallen, die Umsatzsteuer in der Gastronomie zudem auf sieben Prozent sinken.
Unterschiedliche Ansätze bei der Finanzierung, Fragezeichen bleiben
Eine zentrale Frage ist in jedem Fall, wie sich die Entlastungen finanzieren lassen. Die Antwort der SPD ist einfach: Teile der Reformen sind mit Steuererhöhungen gegenfinanziert, den Rest soll eine Reform der Schuldenbremse und damit eine höhere Verschuldung hergeben. Die größten Schnittmengen hat die Partei deshalb mit den Grünen: Auch sie setzen auf mehr neue Kredite – sei es über eine Reform der Schuldenbremse oder einen Deutschlandfonds.
Bei Union und FDP gibt es hier ein großes Fragezeichen: Die FDP setzt auf eine Rückbesinnung auf die Kernaufgaben des Bundes und damit auf Einsparungen. Auch die Union will sparen. Die Schuldenbremse soll bei beiden Parteien bleiben. Von Steuererhöhungen an anderer Stelle ist nicht die Rede ist. Die Antwort bleibt auch deshalb offen, weil fast die Hälfte der Mindereinnahmen bei Ländern und Kommunen anfallen würden, die nicht ohne weiteres mitziehen dürften.
“Der Ansatz, die Steuerzahler zu entlasten, ist richtig und überfällig. Anreize für mehr Investitionen und Arbeit können zu einer stärkeren Wirtschaftsdynamik verhelfen”, sagt IW-Steuerexperte Tobias Hentze. “Gut ist es auch, dass sich alle Parteien einig sind, bei den hohen Stromkosten gegenzusteuern.”
IW, 17.12.2024