Der 7. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg hat sich in seiner Entscheidung vom 4. Dezember 2024 mit der Frage befasst, ob Berlin über eine ausreichende Versorgung mit Psychotherapeuten der Fachrichtung Verhaltenstherapie verfügt.
Berlin gilt bislang „auf dem Papier“ als überversorgt mit Psychotherapeuten, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abrechnen dürfen. Das führt dazu, dass neue Therapeuten in der Regel keinen „Kassensitz“ erlangen und nur im Rahmen einer Privatpraxis arbeiten können. Gleichzeitig hat es sich etabliert, dass gesetzliche Krankenkassen in erheblichem Umfang auch (im Wege der „Kostenerstattung“) die psychotherapeutische Behandlung ihrer Versicherten in solchen Privatpraxen finanzieren, weil im Bereich der zugelassenen Vertragspsychotherapeuten keine freien Therapieplätze gefunden werden können.
Kläger im vorliegenden Verfahren war ein Psychotherapeut, der eine Privatpraxis im Ortsteil Wedding betreibt und (gleichwohl) in weit überwiegendem Umfang Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung im Wege der Kosterstattung behandelt. Der Kläger verfolgte mit seiner Klage das Ziel, über eine Sonderbedarfszulassung in das System der Vertragspsychotherapeuten aufgenommen zu werden, die Kassenpatienten regelhaft behandeln dürfen.
Eine solche Sonderbedarfszulassung kann beansprucht werden, wenn sich zeigt, dass zusätzlicher Versorgungsbedarf in der betreffenden Fachrichtung besteht.
Zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Sonderbedarfszulassung sind die so genannten Zulassungsgremien – hier: der Berufungsausschuss -, die aus Kassenvertretern und Ärzten bestehen. Diesen obliegen die notwendigen Ermittlungen, um zu klären, ob der geltend gemachte Sonderbedarf tatsächlich besteht. Die Zulassungsgremien kamen vorliegend zu der Einschätzung, dass zusätzlicher Versorgungsbedarf nicht bestehe.
Das Sozialgericht Berlin hatte im Sinne des klagenden Psychotherapeuten entschieden. Das LSG hat diese Entscheidung nunmehr bestätigt und die Auffassung vertreten, die Zulassungsgremien hätten den Bedarf an Psychotherapeuten nicht zureichend ermittelt. Allein die hohe, jährlich sich im mittleren dreistelligen Bereich bewegende Anzahl von Kostenerstattungsverfahren deute darauf hin, dass der Versorgungsbedarf mit den vorhandenen Kassensitzen derzeit nicht zureichend gestillt werde. In der mündlichen Verhandlung am 4. Dezember 2024 hat der Vorsitzende des 7. Senats erklärt, dass erhebliche Anhaltspunkte für eine tatsächliche Unterversorgung mit verhaltenstherapeutischen Therapiemöglichkeiten bestünden, denn (regelmäßig in einer erheblichen psychischen Notlage befindliche) Betroffene müssten auf einen freien Therapieplatz oft viele Monate warten.
Im Nachgang zu dem Urteil wird nun der Berufungsausschuss auf der Grundlage vom Gericht zu bestimmender Kriterien neu in die Bedarfsermittlung einzutreten haben. Im Zuge dessen wird u.a. zu ermitteln sein, inwieweit die derzeit zugelassenen Vertragspsychotherapeuten ihrem Versorgungsauftrag tatsächlich überhaupt gerecht werden, also im vorgesehenen Umfange Therapiestunden anbieten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Der unterlegene Berufungsausschuss kann beim Bundessozialgericht die Zulassung der Revision beantragen.
LSG Berlin-Brandenburg, 11.12.2024