Der Präsident des Thüringer Landeskriminalamtes stellte heute im Beisein von Innenminister Georg Maier die Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität 2021 vor. „Mit über 2.700 Delikten sind die meisten Fallzahlen seit Beginn dieser Statistik zu verzeichnen“, resümiert der Minister und begründet diesen deutlichen Zuwachs vor allem mit den im vergangenen Jahr stattgefunden Bundestagswahlen und den politischen Auseinandersetzungen rund um die Corona-Maßnahmen. „Wir hatten es mit einer immer stärker werdenden, grundsätzlichen Infragestellung des Rechtsstaates zu tun. Insbesondere bei dem Demonstrationsgeschehen Ende letzten Jahres und Anfang dieses Jahres wurde durch Extremisten versucht bei breiteren gesellschaftlichen Gruppen und Diskussionen Anschluss zu finden“, betont Georg Maier und ergänzt: „Die Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung kommt aber weiter ganz klar von rechts.“
Mit Blick auf die gestiegene Anzahl der Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger appelliert Maier „Das zunehmend aggressive Vortragen eigener Standpunkte und die ebenso gesteigerte Sensibilität und Ablehnung anderer Meinungen haben zu einer Verrohung im Umgang und der Polarisierung in der politischen Auseinandersetzung und damit zu einer geänderten Kriminalitätslage geführt. Ziel muss es sein, zu unseren gemeinschaftlichen Werten für ein faires, offenes und verständnisvolles Miteinander zurückzufinden“. Die registrierten Delikte stiegen im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 76 Fälle auf nunmehr 245 Straftaten. Die Anzahl hat sich gegenüber dem Jahr 2019 mehr als verdoppelt.
Die Aufklärungsquote lag bei 42,1 Prozent. „Erfahrungsgemäß liegt diese in Wahljahren immer etwas niedriger, weil es im Zusammenhang mit dem Wahlkampf häufig zu Sachbeschädigungsdelikten beispielsweise an Wahlplakaten kommt. Solche Delikte sind nur schwer aufzuklären“, erklärt anlässlich der Vorstellung der Zahlen Maier.
Im Freistaat Thüringen wurden im Jahr 2021 insgesamt 2.770 Delikte der Politisch motivierten Kriminalität registriert. Damit stiegen die Fallzahlen gegenüber dem Jahr 2020 um 675 Delikte (32 Prozent) deutlich an. Insbesondere ist die Anzahl der Straftaten im Phänomenbereich politisch motivierte Kriminalität -nicht zuzuordnen- (Delikte, bei denen keine Anhaltspunkte vorliegen für eine rechte bzw. linke Motivation) im vergangenen Jahr sehr stark gestiegen. Sie hat sich von 317 Straftaten im Jahr 2020 auf 1.017 im Jahr 2021 mehr als verdreifacht.
Auffällig ist der Anstieg der politisch motivierten Gewaltdelikte. Nach 92 Fällen im Jahr 2020 wurden für 2021 195 Fälle registriert. Der hohe Anstieg resultiert fast ausschließlich aus der Zunahme von Delikten im Phänomenbereich PMK – nicht zuzuordnen- (2021: 103 Fälle, 2020: 8 Fälle). Hierfür bilden die Auseinandersetzungen rund um die Corona-Demonstrationen einen möglichen Erklärungsansatz. Festzuhalten bleibt, dass der Anteil rechtsmotivierter Gewaltkriminalität (60) doppelt so hoch ist, wie der linksmotivierter Gewaltstraftaten (29).
Wie in den vergangenen Jahren war auch 2021 mit ca. 46 Prozent die Mehrheit der registrierten Fälle der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- zuzuordnen. Insgesamt waren 1.280 Delikte in diesem Phänomenbereich zu verzeichnen, was einen leichten Rückgang im Vergleich zum Vorjahr darstellt (2020: 1.312 Fälle). Im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität -links- ist ein marginaler Anstieg um sechs Delikte auf nunmehr 443 Straftaten, festzustellen. Die Straftaten im Phänomenbereich der -ausländischen Ideologie- sind von 11 auf 9 gesunken; die Delikte im Phänomenbereich der -religiösen Ideologie- hingegen leicht von 18 auf 21 gestiegen. Damit bleiben die Fallzahlen in diesen Bereichen relativ konstant.
Demgegenüber ist ein Rückgang der Propagandadelikte zu verzeichnen. Wurden im Jahr 2020 noch 979 Delikte registriert, waren es 2021 827, wobei der weitaus größte Anteil – 785 Fälle – nach wie vor auf die Propagandadelikte –rechts- entfällt.
In 16 Fällen wurde in Thüringen 2021 wegen Terrorismusverdacht ermittelt, was ein Anstieg um sieben Fälle bedeutet. In allen 16 Fällen wurde wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland bzw. der Bildung terroristischer Vereinigungen im Ausland ermittelt. Die Anzahl der Sonstigen staatsschutzrelevanten Delikte (Fälle, die weder den Propaganda- oder Gewaltstraftaten noch dem Bereich des Terrorismus zuzuordnen sind) hat sich im Jahr 2021 um 717 Fälle, also rund 70 Prozent erhöht. Sie stieg von 1.015 Fällen im Vorjahr auf aktuell 1.732 Straftaten. In den meisten Fällen handelte es sich hierbei um Sachbeschädigungen (858 Fälle), Beleidigungen (181 Fälle), Volksverhetzungen (177 Fälle) oder Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (131 Fälle).
Im Jahr 2021 waren insgesamt 457 so genannte Corona-Straftaten zu verzeichnen. Das sind nahezu vier Mal so viel wie im Vorjahr. Es handelt sich hier um Delikte, die im Zusammenhang mit Corona oder den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie stehen. Im Jahr 2020 wurden 122 Corona-Straftaten erfasst.
Nachdem im Jahr 2020 im Freistaat Thüringen 124 Personen Opfer von politisch motivierter Gewaltkriminalität geworden waren, mussten im Jahr 2021 insgesamt 223 Opfer registriert werden. Fast ein Viertel der Opfer, 50 Personen, waren nichtdeutscher Herkunft.
Quelle: Ministerium für Inneres und Kommunales Thüringen, Pressemitteilung vom 9. Mai 2022