Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat mit Beschluss vom heutigen Tage den Eilantrag eines Veranstalters abgelehnt, mit dem sich dieser gegen eine versammlungsrechtliche Verfügung der Stadt Mannheim gewandt hatte (1 K 5730/24).
Der Antragsteller hatte bereits im August eine Versammlung für den Abend des 07.10.2024 angemeldet, die unter dem Motto: „76 Years of Occupation“ auf dem Mannheimer Marktplatz stattfinden sollte. Nach Durchführung eines Kooperationsgesprächs mit dem Antragsteller verfügte die Stadt Mannheim am 01.10.2024, dass die Versammlung zwar an einem anderen Tag, nicht aber am 07. Oktober durchgeführt werden dürfe. Diesem Tag komme als Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel ein historisch eindeutiger Symbolgehalt zu. Auch für viele Menschen in Mannheim sei dies ein bedeutsamer Gedenktag. Die geplante Versammlung richte sich gegen das Gedenken an die Opfer des Anschlags und entfalte daher eine Provokationswirkung. Es sei aus Sicht der Versammlungsbehörde damit zu rechnen, dass im Rahmen der Versammlung der Terrorangriff in ein positives Licht gerückt werde.
Zur Begründung seines Eilantrags hatte der Antragsteller insbesondere geltend gemacht, dass der Termin für die Versammlung essenziell sei, da an den „Genozid an der palästinensischen Bevölkerung“ erinnert werden solle, welcher als Reaktion auf die Ereignisse des 07.10.2023 aktuell stattfinde. Das Motto der Versammlung stelle zudem klar, dass es auch um vergangene Ereignisse gehe. Geplant sei eine „Mahnwache“ mit Kerzen zum Gedenken der Todesopfer in Gaza sowie im Westjordanland.
Dem ist die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe nicht gefolgt. Sie hat entschieden, dass eine hinreichende Gefahr für die öffentliche Ordnung bestehe. Daher sei die versammlungsrechtliche Verfügung der Stadt Mannheim zu Recht ergangen.
Zwar sei auch die Wahl des Zeitpunkts einer Versammlung von dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit umfasst. Der 7. Oktober sei jedoch der Jahrestag eines planvollen, von unterscheidungslosem Vernichtungswillen getragenen Massakers mit mehr als 1.000 Toten, hundertfacher Geiselnahme sowie mehreren Tausend Verletzten. Die Äußerungen des Antragstellers gegenüber der Stadt Mannheim deuteten darauf hin, dass mit der Versammlung eine Rechtfertigung und Relativierung des Geschehens beabsichtigt sei. So habe er im Zusammenhang mit dem Massaker von einem „Ausbruch aus dem Gefängnis“ sowie vom „Kampf gegen Besatzer“ gesprochen. Er habe auch erklärt, es sei „unklar“, was am 07.10.2023 geschehen sei, weil es dazu viele „Mythen und Geschichten“ gebe. Zudem sei die Versammlung unter dem Namen einer Organisation angemeldet worden, die sich im Internet ausdrücklich mit der verbotenen Terrororganisation Hamas solidarisiert habe.
Eine solche Versammlung beeinträchtige gerade am Jahrestag des Anschlags das sittliche Empfinden der Bevölkerung auf empfindliche Weise. Die Opfer eines gezielten Massakers an der Zivilbevölkerung würden dabei als bloße „Begleitschäden“ eines an sich „legitimen“ Kampfes dargestellt. Dies richte sich gerade gegen die Beispiellosigkeit des Geschehenen und berühre damit den Kern des Gedenkens an die Opfer. Gleiches gelte für das Motto: „76 Years of Occupation“. Denn dieses beziehe sich aus Sicht eines unbefangenen Betrachters nicht auf den Gazastreifen, welcher erst seit 1967 unter israelischer Verwaltung stehe, sondern auf die Gründung des Staates Israel. Damit werde auch das völkerrechtlich zu Israel gehörende Gebiet als „besetzt“ dargestellt. Das Existenzrecht Israels werde daher in einer öffentlichen Versammlung und noch dazu in räumlicher Nähe zu den am gleichen Tag stattfindenden Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Massakers in Frage gestellt. Dies beeinträchtige das sittliche Empfinden der Bevölkerung gerade am 7. Oktober als dem ersten Jahrestag des Anschlags, bei dem an einem Tag mehr jüdische Zivilisten gewaltsam zu Tode gekommen seien als an jedem anderen Tag seit dem Holocaust, in empfindlicher Weise.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Der Antragsteller hat hiergegen inzwischen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegt.
(c) VG Karlsruhe, 07.10.2024