Der Bundesminister der Justiz hat dem Bundesverfassungsgericht mit Schreiben vom 26. Juli 2024 zwei Gesetzentwürfe unter Hinweis darauf übersandt, dass diese als Grundlage eines Gesetzgebungsverfahrens zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts dienen könnten. Das Plenum des Bundesverfassungsgerichts hat hierzu am 11. September 2024 die folgende Stellungnahme beschlossen:
„Das Bundesverfassungsgericht dankt für die Übermittlung der Gesetzentwürfe durch Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 26. Juli 2024 und für die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Bundesverfassungsgericht begrüßt das Bestreben des Gesetzgebers, sowohl die Dichte der das Verfassungsorgan Bundesverfassungsgericht betreffenden grundgesetzlichen Regelungen entsprechend derjenigen anderer Verfassungsorgane zu gestalten als auch die Funktionsbedingungen der Verfassungsgerichtsbarkeit zu sichern. Die Verfasserinnen und Verfasser des Grundgesetzes haben Stellung und Struktur des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1949 maßgeblich in Ermangelung unmittelbarer institutioneller Vorläufer in der deutschen Verfassungsrechtstradition nur in Ansätzen ausgeformt und einer späteren Konkretisierung durch einfaches Bundesgesetz überlassen. 75 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes ist eine nähere verfassungsrechtliche Konturierung des Bundesverfassungsgerichts möglich und überzeugend. Eine solche liegt auch deshalb nahe, weil ein Blick über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus zeigt, dass sich autokratische Bestrebungen auch und gerade gegen die Verfassungsgerichtsbarkeit als Garantin einer freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung richten können.
Die übermittelten Gesetzentwürfe sehen vor, eine Vielzahl der inzwischen statusprägenden und in jahrzehntelanger Verfassungspraxis bewährten einfachgesetzlichen Regelungen über das Bundesverfassungsgericht wie die Zahl der Senate, die Zahl der Senatsmitglieder oder die Dauer ihrer Amtszeit in das Grundgesetz zu überführen, so dass sie künftig nur noch mit der für eine Verfassungsänderung notwendigen qualifizierten Mehrheit geändert werden können. Gegen diese sowie die sonstigen beabsichtigten Änderungen erhebt das Bundesverfassungsgericht keine Einwendungen.
Für die Wahl der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts hat sich ein parteiübergreifender Konsens bewährt. Soweit in der politischen Debatte auch eine verfassungsrechtliche Verankerung der einfachgesetzlich in § 6 Abs. 1 Satz 2, § 7, § 9 Abs. 3 BVerfGG vorgesehenen Zwei-Drittel-Mehrheit diskutiert worden ist, sind für die gegenläufigen Positionen jeweils gut nachvollziehbare Argumente vorgebracht worden. Sie fußen nicht zuletzt auf unterschiedlichen prognostischen Einschätzungen über künftige politische Mehrheitsbildungen, zu denen auch dem Bundesverfassungsgericht keine weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund sieht das Bundesverfassungsgericht insoweit von einer Stellungnahme ab.“
(c) BVerfG, 13.09.2024