Mit der Forderung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nach einem Mindestlohn von 15 Euro sägt der SPD-Politiker einmal mehr an der Mindestlohnkommission. Im Ergebnis könne eine staatliche Lohnfestsetzung stehen.
Schon mit der aus dem SPD-Bundestagswahlkampf resultierenden Erhöhung des Mindestlohnes auf zwölf Euro hatte die Ampel-Regierung die Axt an das gesetzlich festgelegte Vorschlagsrecht der Mindestlohnkommission gelegt. Jetzt droht einmal mehr, dass gültige Regeln Opfer politischer Beliebigkeit werden. „Wenn die Politik immer wieder höhere Mindestlöhne verordnet, macht sie die Mindestlohnkommission obsolet“, sagt IW-Tarifexperte Hagen Lesch. Die stete Einmischung von Seiten der Politik könnte dazu führen, dass die Tarifpartner in einigen Bereichen nicht mehr bereit seien, überhaupt über Tariflöhne zu verhandeln. Im Ergebnis drohe eine staatliche Lohnfestsetzung.
Ordnungspolitisches Foulspiel
Schon nach dem vorigen ordnungspolitischen Foulspiel der Bundesregierung im Oktober 2022, als der Mindestlohn auf 12 Euro gesetzt wurde, war klar, dass von Seiten der Parteien links der Mitte weitere Forderungen erhoben würden. Hubertus Heil hat sich dem wiederholt angeschlossen. Dabei hat er selbst es versäumt, das Mindestlohngesetz an seine Vorstellungen anzupassen: Einen Mindestlohn von 60 Prozent des Medianeinkommens. Würde die Politik dies als Richtschnur für künftige Mindestlohnerhöhungen festlegen, könnte sie auf die permanente Einmischung verzichten. Dann allerdings stellte sich die Frage, ob eine autonome Mindestlohnkommission überhaupt noch Sinn machte. Insofern sollte der Bundesarbeitsminister klar bekennen, wofür er steht: für Tarifautonomie oder staatliche Lohnpolitik.
Falscher Zeitpunkt
Problematisch ist die Erhöhungsdebatte überdies, weil sie in eine Zeit fällt, in der der Arbeitsmarkt zu schwächeln beginnt und sich das konjunkturelle Umfeld deutlich eingetrübt hat. Hagen Lesch: „Irgendwann ist beim Mindestlohn der Kipppunkt erreicht. Das kann Jobs in bestimmten Bereichen kosten. Dann gibt es keine Bäckereien mehr, sondern Ketten mit Industrieware.“ Zudem drohten Preiseffekte, weil gerade Dienstleister versuchten, höhere Lohnkosten an die Kunden weiterzureichen. „Auf dieser Art vermeintlichem Gerechtigkeitswahlkampf liegt kein Segen. Bislang ist die Bundesrepublik mit ihrer Tarifpartnerschaft gut gefahren – sie aufs Spiel zu setzen, ist fahrlässig.“
(c) IW, 09.09.2024