300 Experten kritisieren in einem offenen Brief die Lage in deutschen Kitas – und die Bundesregierung für ihren Umgang mit frühkindlicher Bildung. Besonders Kinder mit Migrationshintergrund könnten dadurch den Anschluss verlieren, zeigen Forschungsergebnisse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
In Kitas fehlen tausende Fachkräfte, das verbleibende Personal ist häufig überfordert und krank: Die Zustände in Kitas gefährden das Kindeswohl, kritisieren Fachleute in einem offenen Brief. Die langfristigen Folgen für die Gesellschaft seien gravierend. Vor allem Kinder aus ärmeren Familien oder mit Migrationshintergrund drohen den Anschluss zu verlieren.
Kita-Besuch wichtig für Sprachförderung
IW-Forschungsergebnisse bestätigen das alarmierende Bild. So ist es für viele Eltern oft ein langer Weg, um überhaupt einen Kitaplatz zu finden: Bundesweit fehlten zuletzt fast 300.000 Plätze für Kinder unter drei Jahre. Jedes siebte Kind geht leer aus. Oft sind es Kinder ausländischer Familien, die bei der Vergabe zurückstecken müssen. Sie besuchen im Vergleich mit Kindern ohne Migrationshintergrund deutlich seltener eine Kita: Während 76,8 Prozent der Drei- bis Fünfjährigen und nur 22,3 Prozent der unter Dreijährigen mit Migrationshintergrund eine Kita besuchen, liegt der Anteil bei Kindern ohne Migrationshintergrund bei 99,3 Prozent und 44,5 Prozent.
Um Wachstum und Wohlstand zu sichern, ist Deutschland auf Zuwanderer und ihre Kinder allerdings dringend angewiesen, umso wichtiger ist es, dass Kitas systematisch die Sprachkenntnisse überprüfen, um Kinder mit Förderungsbedarf zu unterstützen. Im Jahr 2023 sprachen nur 68 Prozent der unter Sechsjährigen zu Hause ausschließlich Deutsch und 27 Prozent vorwiegend eine andere Sprache. Die Kita könnte hier helfen und bis zum Schulstart ausreichende Sprachkenntnisse in Deutsch vermitteln, Lücken können später nur schwer geschlossen werden (Bildungsmonitor).
Keine Lösung: Kitaplätze reduzieren
„Der offene Brief zu den negativen Folgen der Kitakrise ist wichtig und richtig, darf aber keinesfalls zum Anlass genommen werden, das Platzangebot zu reduzieren“, warnt Axel Plünnecke. Stattdessen sollte alles darangesetzt werden, die Situation in den Kitas auf anderen Wegen zu verbessern: Die Aus- und Weiterbildung für Kita-Fachkräfte sollten verbessert, zusätzliche multiprofessionelle Teams gewonnen, der Zugang für Studierende sozial- und kindheitspädagogischer Studiengänge erleichtert und qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland gesucht werden.
(c) IW, 05.09.2024