Die 1. Große Strafkammer als Schwurgericht des Landgerichts München II unter Vorsitz von Thomas Bott hat den Angeklagten Jakub S. nach viertägiger Hauptverhandlung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren 9 Monaten verurteilt. Zugleich hat die Kammer die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe angeordnet.
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts hatte sich der zur Tatzeit 36-jährige Angeklagte in der Nachtvom 04.11.2023 auf den 05.11.2023 in einer Bar in Geretsried aufgehalten und dort verstärkt Alkohol konsumiert. Gegen 02.30 Uhr traf er vor der Bar auf seinen Bekannten A., den späteren Geschädigten. Dieser war aufgrund seiner Alkoholisierung und seines ausfälligen Verhaltens von den Türstehern aus der Bar verwiesen worden. Es kam zu einer kurzen Diskussion vor dem Eingang zur Bar, an der sich auch der Angeklagte beteiligte. Als sich der Geschädigte schließlich vom Eingangsbereich entfernte, forderte er den Angeklagten durch machohaft aggressive Gesten des Sinngehalts, „wenn Du Dich traust bzw. was willst, dann komm her“, heraus. Der Angeklagte, der in seiner Freizeit früher „Kickboxen“ betrieben hatte, ging auf A. zu und schlug diesem unvermittelt mit der rechten Faust kräftig ins Gesicht. A. ging durch den wuchtigen Faustschlag zu Boden und kam mit dem Kopf an einer Containerwand zum Liegen. Daraufhin trat der Angeklagte mit dem beschuhten Fuß mindestens zweimal gegen den Kopf des am Boden liegenden A. und führte anschließend noch mindestens einen sog. Stampftritt kraftvoll von oben auf den am Boden aufliegenden Kopf des Geschädigten aus, um diesen zu verletzen, wobei er den Tod des Geschädigten in Kauf nahm. Der Angeklagte wurde von einem Zeugen vom Geschädigten weggezogen und dadurch an weiteren Gewalttätigkeiten gehindert. Der Geschädigte A. blieb bewusstlos liegen und wurde durch einen zufällig anwesenden Rettungssanitäter erstversorgt. Er erlitt schwerste knöcherne Gesichtsverletzungen, die operiert werden mussten.
Bei der Tat war der Angeklagte erheblich alkoholisiert. Es bestand bei ihm eine Abhängigkeit von Alkoholund Betäubungsmitteln. Eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit konnte die sachverständig beratene Kammer trotz einer Blutalkoholkonzentration von ca. 2,5 %o BAK zur Tatzeit indes nicht feststellen, weil beim Angeklagten von einer erhebliche Trinkgewöhnung auszugehen war, da er keinerlei Ausfallerscheinungen oder Erinnerungslücken zeigte.
Das Schwurgericht bildete sich seine Überzeugung im Wesentlichen aus dem weitgehenden Geständnis des Angeklagten, den Angaben des Geschädigten und Aufzeichnungen der Überwachungskamera.
Zugunsten des Angeklagten wirkte sich die Tatprovokation durch den Geschädigten einerseits und die alkoholbedingte Enthemmung des Angeklagten andererseits aus. Zudem war zu berücksichtigen, dass hinsichtlich des Tötungsdelikts lediglich ein Versuch vorlag. Die Kammer ging deswegen von einem minder schweren Fall aus.
Zu Lasten des Angeklagten würdigte die Kammer im Wesentlichen dessen erhebliche und einschlägige strafrechtliche Vorbelastung und die Tatsache, dass er zur Tatzeit unter offener Bewährung stand.
Angeklagter, Verteidigung und Staatsanwalt haben auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
(c) LG München II, 24.08.2024