Die Motive des Westens und Chinas für die Kreditvergabe an afrikanische Länder sind sehr unterschiedlich. Westliche Länder vergeben eher Kredite an ressourcenarme und hochverschuldete afrikanische Länder. Chinas Kreditvergabe an Afrika dagegen ist stärker von seinen wirtschaftlichen Interessen geleitet. Es vergibt Kredite an ressourcenreichere Länder mit geringerem Ausfallrisiko und höherer Zahlungsbereitschaft. Die widersprüchlichen Interessen gefährden den dringend benötigten Schuldenerlass für afrikanische Länder, so eine neue Studie des Kiel Instituts für Weltwirtschaft.
„Unsere Studie schließt eine Lücke in der Forschung über die Kreditvergabe Chinas an afrikanische Länder. Bislang fehlte ein expliziter Vergleichsmaßstab, um die Unterschiede und die zugrundeliegenden Motive der kreditgebenden Länder genauer zu untersuchen. In unserer Studie vergleichen wir nun systematisch die Kreditvergabe Chinas mit der von sechs großen westlichen Ländern – Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Japan und den USA“, sagt Eckhardt Bode, Autor der Studie. „Eines der wichtigsten Ergebnisse ist, dass Chinas derzeitige Kreditvergabe und Verschuldung in afrikanischen Ländern eine drohende Schuldenkrise noch verschärfen könnten.“
Basierend auf der Africa Debt Database des Kiel Instituts, einem umfassenden Datensatz mit fast 7.000 Krediten, die China, westliche Länder und multilaterale Organisationen an afrikanische Länder vergeben haben, analysiert Bode die Kreditvergabedaten von 2000 bis 2019 und kommt zu dem Ergebnis, dass sich Chinas Motive für die Kreditvergabe in den 2000er Jahren deutlich von denen westlicher Länder unterscheiden.
Chinas Motive für die Kreditvergabe
Zu den wirtschaftlichen Motiven für Chinas Kreditvergabe in Afrika gehören demnach die Förderung des eigenen Wirtschaftswachstums und der „Going-Global“-Strategie durch mehr internationalen Handel, der Zugang zu natürlichen Ressourcen, die Expansion chinesischer Unternehmen im Ausland, die Anlage seiner enormen Devisenreserven sowie die Stimulierung der weltweiten Nachfrage nach Gütern, für die es im Inland ein Überangebot gibt.
Der Zugang zu den Ressourcen und Märkten Afrikas ist auch ein Motiv für die Kreditvergabe westlicher Länder. Während der Westen die Importe bestehender Lieferanten sichern will, möchte sich China neue Lieferanten erschließen.
Deutliche Unterschiede zeigen sich bei weiteren Motiven wie dem Zugang zu anderen Gütern, die für China, nicht aber für westliche Länder relevant sind, sowie Investitionssicherheit und Rentabilität. China bevorzugt die Kreditvergabe an kreditwürdigere Länder, um das Ausfallrisiko zu begrenzen, während westliche Länder Kredite an höher verschuldete afrikanische Länder vergeben. Darüber hinaus nutzt Peking die höhere Zahlungsbereitschaft der afrikanischen Länder aus, indem es von diesen Ländern, die gleichzeitig teure Staatsanleihen auf den internationalen Kapitalmärkten emittieren, unverhältnismäßig hohe Zinsen für seine Kredite verlangt. Diese Motive zeigen sich in der Kreditvergabe westlicher Länder nicht, da sie Kredite an ressourcenarme und hochverschuldete Länder vergeben und niedrigere Zinsen für Kredite verlangen.
Schließlich unterscheiden sich auch die geopolitischen Motive Chinas von denen der westlichen Länder. China bevorzugt die Kreditvergabe an Länder, die das Ein-China-Prinzip unterstützen – also Taiwan nicht anerkennen – und in der Generalversammlung der Vereinten Nationen eher mit den Positionen Chinas übereinstimmen. Westliche Länder hingegen bevorzugen die Kreditvergabe an Länder mit einer stabilen Regierung.
Afrikas drohende Schuldenkrise
„China stellt seine wirtschaftliche Agenda stärker in den Mittelpunkt seiner Kreditvergabestrategie als westliche Länder. Allerdings wissen wir noch wenig über die Motive der westlichen Länder. Die Tatsache, dass sie günstigere Konditionen gewähren und Kredite bevorzugt an bedürftigere Länder vergeben, scheint wohltätige Motive widerzuspiegeln – könnte aber ebenso gut politisch motiviert sein“, so Bode.
Derzeit befinden sich mehrere afrikanische Länder, die hohe Kredite von China aufgenommen haben, darunter Tschad, Äthiopien, Ghana und Sambia, in finanziellen Schwierigkeiten. Aufgrund der nach wie vor ungelösten Interessenkonflikte und des tiefen Misstrauens zwischen China und den westlichen Ländern sind die letzten Schuldenumstrukturierungen im Rahmen des „Common Framework for Debt Treatment“ weit weniger großzügig ausgefallen als frühere Vereinbarungen, die allein mit den westlichen Gläubigerländern getroffen wurden.
„Chinas derzeit mangelnde Kompromissbereitschaft bei den Schuldenverhandlungen könnte die Schuldenkrise verschärfen und weitere afrikanische Länder in die Zahlungsunfähigkeit treiben. Das derzeitige Vorgehen erinnert an die 1980er und 1990er Jahre, als westliche Gläubiger eine ähnlich harte Haltung gegenüber verschuldeten lateinamerikanischen Ländern einnahmen“, sagt Bode. „Diese Länder haben dann ein Jahrzehnt durch wiederkehrende Zahlungsprobleme und eine verzögerte wirtschaftliche Erholung verloren.“
Jetzt Studie lesen: The Motives for Chinese and Western Countries’ Sovereign Lending to Africa
(c) IfW, 29.07.2024