Ein etwa ein Kilometer langer Abschnitt des historischen Prozessionsweges zur Marienkapelle in Telgte ist ein Denkmal. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute entschieden und damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts Münster bestätigt.
Die Bezirksregierung Münster hatte im Januar 2020 veranlasst, dass der im 17. Jahrhundert errichtete Prozessionsweg zwischen Münster und Telgte in einem bestimmten Abschnitt auf Telgter Stadtgebiet als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Telgte eingetragen wird. Dagegen klagte der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen unter Hinweis auf den beabsichtigten vierspurigen Ausbau der B 51 zwischen Münster und Telgte, der die Inanspruchnahme der Grundstücke des Prozessionsweges bedinge. Er machte geltend, der Prozessionsweg sei nur noch teilweise vorhanden, werde längst nicht mehr genutzt und es lägen auch keine Gründe für seine Erhaltung vor. Die Klage hatte beim Verwaltungsgericht Münster überwiegend keinen Erfolg. Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers wies das Oberverwaltungsgericht jetzt zurück.
Zur Begründung seines Urteils führte der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts aus: Die Klage ist zulässig, auch wenn zwei Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen miteinander streiten, das Land also gleichzeitig Kläger und Beklagter ist. Denn der Landesbetrieb Straßenbau handelt im Wege der Auftragsverwaltung für den Bund, der auch Eigentümer der von der Unterschutzstellung betroffenen Grundstücke ist, und untersteht dessen Weisungen.
Der Prozessionsweg, laut Denkmaleintragung bestehend aus der Wegetrasse, den säumenden Lindenreihen sowie im streitigen Abschnitt zwei Stationen (Doppelbildstöcke), ist ein Denkmal. Es besteht ein öffentliches Interesse an seiner Erhaltung. Nach den fachkundigen Stellungnahmen des beigeladenen Landschaftsverbands Westfalen-Lippe hat er die erforderliche Bedeutung im Sinne des Denkmalschutzgesetzes. Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen wollte nach dem 30-jährigen Krieg das religiöse Leben in seinem Bistum fördern und die Volksfrömmigkeit wiederbeleben, unter anderem durch Wallfahrten vom Bischofssitz Münster nach Telgte. Hierzu ließ er in Telgte die Marienkapelle errichten und 1658 bis 1663 den Wallfahrtsweg mit doppelseitigen Bildstöcken anlegen. Der Prozessionsweg dokumentiert außerdem den historischen Entwicklungsprozess der Stadt Telgte, die zum Hauptwallfahrtsort Westfalens geworden ist und auch dadurch wirtschaftlich aufgeblüht ist. Dass es vielerorts Prozessionswege gegeben hat oder noch gibt, steht der Denkmaleintragung nicht entgegen. Die besondere geschichtliche Bedeutung kann auch der hier nur unter Schutz gestellte Abschnitt für sich beanspruchen, bei dem es sich um die Originaltrasse handelt und auf dem die beiden Doppelbildstöcke an ihrem ursprünglichen Ort stehen.
Dass der Wegabschnitt mitten in der Landschaft liegt und nicht an das Ziel des Prozessionswegs in Telgte angebunden ist, ändert nichts am geschichtlichen Aussagewert. Der Prozessionsweg ist als solcher durch die beiden inmitten des Weges, nicht am Wegrand, stehenden Doppelbildstöcke und ihre auf den Pilger bezogenen Inschriften erkennbar. Er bleibt trotz der Lücken in der Wegetrasse und den nur noch teilweise vorhandenen Lindenreihen ein erhaltungsfähiges Original. In beide Richtungen bestehen Sichtachsen zu den Bildstöcken, die als Flucht- und Orientierungspunkte eine Verbindung herstellen können. Dass der Prozessionsweg seit Jahrzehnten nicht mehr genutzt wird, die betroffenen Kirchengemeinden schon 1984 ihr Einverständnis mit einer Verlegung erklärt haben und die mit dem Pilgern typischerweise verbundene kontemplative Stimmung angesichts der nahen, stark befahrenen Bundesstraße schwerlich erzeugt werden kann, stellt die besondere geschichtliche Bedeutung nicht in Frage. Für die Erhaltung dieses Abschnitts des Prozessionsweges liegen auch wissenschaftliche, nämlich religionshistorische sowie volkskundliche Gründe vor.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.
Aktenzeichen: 10 A 1487/22 (I. Instanz: VG Münster 2 K 611/20)
(c) OVG NRW, 01.07.2024