Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat sich im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag zur sogenannten Fördergeld-Affäre geäußert. Die Union hatte zuvor die Teilnahme Stark-Watzingers gefordert.
Im Ausschuss ging es um die Frage, ob und wie die Ministerin in Vorgänge in ihrem Haus im Zusammenhang mit einem Protestbrief von Berliner Dozenten, die die Räumung eines propalästinensischen Camps an der FU Berlin kritisiert hatten, eingebunden war. Stark-Watzinger hatte den im Mai veröffentlichten Brief kritisiert. Später waren Mails aus ihrem Ministerium an die Öffentlichkeit gelangt, aus denen hervorging, dass jemand an hoher Stelle im Hause um Prüfung gebeten hatte, inwieweit Aussagen im Protestbrief der Hochschullehrer strafrechtlich relevant sind und ob das Ministerium als Konsequenz Fördermittel streichen könnte. Stark-Watzinger trennte sich in Folge von der Staatssekretärin Sabine Döring, die diesen Prüfauftrag veranlasst habe.
Stark-Watzinger sagte im Ausschuss, dass Staatsministerin Döring am 13. Mai 2024 telefonisch eine juristische Prüfung zu den Vorfällen an der Freien Universität Berlin beauftragt habe. Der Auftrag hätte von der Fachebene so verstanden werden können, dass sowohl eine rechtliche Prüfung als auch eine Prüfung möglicher förderrechtlicher Konsequenzen durchgeführt werden sollte. Staatsministerin Döring habe daraufhin erklärt, dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen nicht von ihr beabsichtigt gewesen sei. Die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen sei nach dem Tag der Veranlassung auch nicht weiterverfolgt worden, so die Bundesbildungsministerin. Sie selbst habe bis zum 11. Juni keine Kenntnis über den Vorgang gehabt, sagte die Ministerin. Sie habe den Auftrag, förderrechtliche Konsequenzen prüfen zu lassen, „nicht erteilt und auch nicht gewollt“, führte sie im Ausschuss aus. Unmittelbar nachdem sie Kenntnis über den Auftrag erlangt habe, habe sie eine Sachstandsaufklärung veranlasst und sei daraufhin zu der Erkenntnis gelangt, dass eine Vertrauensbasis für die Zusammenarbeit mit Döring nicht mehr gegeben sei.
Die rechtliche Prüfung der Inhalte des offenen Briefes habe sie in Auftrag gegeben, bestätigte die Ministerin. Diese Prüfung habe ergeben, dass sich der Inhalt des offenen Briefes „im grundrechtlichen geschützten Bereich der Meinungsfreiheit“ bewege. Die Inhalte des Briefes sehe sie dennoch kritisch, führte Stark-Watzinger aus. Sie forderte, dass sich jüdische Studierende und Lehrende an deutschen Hochschulen sicher fühlen müssten. Derzeit sei es jedoch so, dass sich einige jüdische Studierende bereits im zweiten Urlaubssemester befänden, da sie Angst hätten, in die Hochschulen zu gehen. Jüdische Lehrende seien Anfeindungen ausgesetzt. Die Forderung des offenen Briefes, pauschal Polizeieinsätze oder Strafen abzulehnen, empfinde sie daher als „mindestens kritikwürdig“.
Die Ministerin betonte die Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit als „hohes Gut in unserer Demokratie“. Sie erklärte, dass Fördermittel nach wissenschaftlicher Exzellenz und nicht nach politischer Weltanschauung vergeben werden, denn das sei das Kernprinzip der Wissenschaftsfreiheit.
Für den bildungspolitischen Sprecher der Union, Thomas Jarzombek (CDU), sind viele Fragen in der Fördergeld-Affäre offen geblieben. Er kritisierte unklare oder ausbleibende Antworten der Ministerin im Ausschuss.
Oliver Kaczmarek (SPD) forderte, dass das „angeknackste Vertrauen“ wiederhergestellt werden müsse. So dürfe nie auch nur der Anschein entstehen, dass politische und nicht wissenschaftsgeleitete Entscheidungen im Ministerium getroffen würden.
Auch Anja Reinalter (Grüne) befand, dass allein die Frage nach förderrechtlichen Konsequenzen einen gravierenden Vertrauensschaden mit sich gebracht habe. Sie plädierte dafür, dass Hochschulen und Universitäten wieder sichere Orte für die Studierenden werden.
Stephan Seiter (FDP) forderte, dass die Politik nun vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen müsse und machte deutlich, dass sich der Bundestag zur Wissenschaftsfreiheit bekenne.
Götz Frömming (AfD) sagte, es sei richtig, zu überlegen, was gegen die Bedrohung von jüdischen Studierenden getan werden könne. So dürften die Meinungsfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit nicht dazu benutzt werden, israelbezogenen Judenhass weiter ausleben zu können.
Laut neuen Dokumenten von „FragDenStaat“ sei der Prüfauftrag nicht erst am 13. Mai, sondern bereits am 10. Mai eingegangen, erklärte Nicole Gohlke (Die Linke). Dieser sei vom Pressereferat und Abteilungsleiter in Auftrag gegeben worden. Es sei daher fragwürdig, dass so viele Personen im Ministerium von dem Prüfauftrag wussten, aber nicht die Ministerin selbst, meinte Gohlke.
Alles das, was bisher passiert sei, habe einen enormen Schaden angerichtet – im gesamten Wissenschaftsbereich müssten sich jene fürchten, die sich politisch äußern wollen, befand Ali Al-Dailami (BSW). Der Abgeordnete wollte erfahren, was passieren müsse, damit die Ministerin zurücktrete.
(c) HiB Nr. 452, 26.06.2024