Das Bundesministerium der Justiz hat heute ein Eckpunktepapier für eine weitere Novelle der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) veröffentlicht. Mit dem Vorhaben sollen verschiedene Bereiche der VwGO modernisiert und verwaltungsgerichtliche Verfahren effektiver gestaltet werden. Die geplanten Maßnahmen zielen insbesondere auch darauf ab, Asylprozesse weiter zu beschleunigen.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:
„Lange Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sind eine Belastung für alle Beteiligten. Bei Asylprozessen tragen sie dazu bei, dass Menschen ohne Bleibeperspektive ihren Aufenthalt in Deutschland weiter verfestigen. Bei großen Infrastrukturvorhaben leidet der Wirtschaftsstandort Deutschland. Deshalb arbeiten wir an einem Maßnahmenbündel, um Verwaltungsgerichtsverfahren zu beschleunigen, zu modernisieren und effektiver zu gestalten. Davon profitieren die Schutzsuchenden, die schneller Gewissheit darüber haben, ob ihnen ein Bleiberecht zusteht. Genauso profitieren unsere Unternehmen, die schneller Klarheit darüber haben, ob sie ihre Geschäftsideen realisieren können. Auch die Gerichte selbst profitieren und damit letztendlich unsere Bürgerinnen und Bürger.“
Ziel der Novelle der VwGO ist es, verwaltungsgerichtliche Verfahren effektiver auszugestalten. Personelle Ressourcen an den Gerichten sollen flexibler als bisher eingesetzt werden können. Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit sollen entlastet werden, damit Verfahren beschleunigt werden können. Dies gilt insbesondere für den Asylprozess. Denn die hohe Anzahl der bei den Verwaltungsgerichten anhängigen Klageverfahren in Asylangelegenheiten hat zuletzt zu einer langen Dauer der Asylklageverfahren von durchschnittlich zwei Jahren geführt. Die geplanten Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass asylgerichtliche Verfahren zukünftig regelmäßig in drei bzw. sechs Monaten abgeschlossen sind.
Darüber hinaus soll das Vorhaben einen weiteren wichtigen Beitrag zur Planungsbeschleunigung bei Infrastrukturprojekten leisten. Damit schreibt es das vom Bundesminister der Justiz vorgelegte Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich (BGBl. 2023 I Nr. 71) fort. Zuletzt soll die geplante Reform des Rechts der Vollstreckung von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gegenüber Behörden einen Beitrag zur Steigerung der Wehrhaftigkeit des Rechtsstaats leisten.
Folgende, im Eckpunktepapier erwähnte Reformvorhaben sind hervorzuheben:
- Einsatz von Proberichtern als Einzelrichter ohne Sperrfrist
Proberichter bei den Verwaltungsgerichten sollen zukünftig unmittelbar als Einzelrichter eingesetzt werden können. Die bisherige Sperrfrist von einem Jahr für Verwaltungsprozesse im Allgemeinen und von sechs Monaten für Asylprozesse soll entfallen. Bei den Verwaltungsgerichten werden damit nicht nur erhebliche Ressourcen freigesetzt. Es wird auch ein flexiblerer Einsatz von Richtern ermöglicht.
- Originärer Einzelrichter in Asylhauptsacheverfahren
Im Asylhauptsacheverfahren an den Verwaltungsgerichten soll kraft Gesetzes grundsätzlich der Einzelrichter entscheiden. Damit wird der weitgehenden Praxis entsprochen, nach der die Verfahren fast ausnahmslos auf den fakultativen Einzelrichter übertragen werden. Der bürokratische Akt der Einzelrichterübertragung kann entfallen. In Fällen, die besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, oder bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache wird eine Verpflichtung zur Übertragung auf die Kammer normiert.
- Fakultativer Einzelrichter am Oberverwaltungsgericht/Verwaltungsgerichtshof
An den Oberverwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichtshöfen soll der fakultative Einsatz von Einzelrichtern sehr viel weitgehender als bislang erlaubt werden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die Senatsarbeit wird damit in geeigneten Fällen entlastet.
- Erweiterung des Rechtsmittelzulassungsgrundes der Divergenz
Der Zulassungsgrund der Divergenz, der bei der Zulassung der Berufung und der Revision eine Rolle spielen kann, ist bislang in der VwGO sehr eng formuliert. Dies führt dazu, dass der Zulassungsgrund äußerst selten zum Tragen kommt. Seine Formulierung soll deshalb an die weiter gefassten Regelungen in der Zivilprozessordnung und Finanzgerichtsordnung angeglichen werden. Der Zugang zu den Rechtsmitteln der Berufung und Revision soll damit vorsichtig erweitert werden.
- Zulassung von Berufung und Revision auch bei offensichtlich vorliegendem Zulassungsgrund
Rechtsmittel sind auf Antrag nur zuzulassen, wenn der Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt. In der Praxis scheitern viele Zulassungsanträge an dem von den Gerichten eher streng gehandhabten Darlegungserfordernis. Das Rechtsmittelgericht soll deshalb im Einzelfall die Möglichkeit erhalten, das Rechtsmittel zuzulassen, wenn der Zulassungsgrund offensichtlich vorliegt, auch wenn er nicht (genügend) dargelegt worden ist.
- Reform der Vollstreckung gegen Hoheitsträger
Die Regelungen zur Vollstreckung von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gegen Hoheitsträger (§§ 167 ff. VwGO) sollen reformiert werden. Der Höchstbetrag für das Zwangsgeld soll von 10.000 Euro auf 25.000 Euro erhöht werden. Das Zwangsgeld soll zudem periodisch getaktet angeordnet werden können, um die Beugewirkung zu erhöhen. Außerdem soll das Zwangsgeld nicht mehr dem Hoheitsträger zufließen, gegen den sich die Vollstreckung richtet (Ausschluss „linke Tasche, rechte Tasche“), sondern es soll an einen nicht am Verfahren beteiligten deutschen öffentlichen Rechtsträger oder eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt werden. Die Verhängung von Zwangshaft gegen handelnde Amtsträger soll ausdrücklich ausgeschlossen werden.
- Querulanzbewältigung durch Anordnung einer Gerichtskostenvorauszahlung im Missbrauchsfall
Bei offensichtlich aussichtslosen und rechtsmissbräuchlichen Klagen oder Anträgen soll es in das Ermessen des Vorsitzenden gestellt werden anzuordnen, dass die Klage oder der Antrag erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt wird. Dies soll die Gerichte und die übrigen Beteiligten von der Befassung mit querulatorischen Klagen und Anträgen entlasten. Durch die engen verfassungsrechtlich begründeten Voraussetzungen, die für eine derartige Anordnung erfüllt sein müssen, wird der Rechtsschutzgarantie für den Betroffenen Rechnung getragen.
Das Eckpunktepapier finden Sie hier.
(c) BMJ, 13.06.2024