„Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister 2024 in Hannover war für Niedersachsen als Vorsitzland ein voller Erfolg. Wir haben uns nicht nur als gute Gastgeber präsentiert. Wir konnten auch – gemeinsam mit den übrigen Ländern – inhaltlich wichtige Vorhaben durchbringen.„ So fasste Niedersachsens Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann die Ergebnisse der heute zu Ende gegangenen Justizministerkonferenz im Schloss Herrenhausen zusammen. Bei der Justizministerkonferenz kommen die 16 Landesjustizministerinnen und -minister zusammen; der Bundesjustizminister nimmt als ständiger Gast teil. Insgesamt 66 rechtspolitische Themen wurden während der zweittägigen Konferenz in der niedersächsischen Landeshauptstadt behandelt, 50 Initiativen wurden beschlossen.
Einen besonderen Erfolg der Konferenz sieht die Niedersächsische Justizministerin in dem gemeinsamen Bekenntnis aller 16 Bundesländer zur Stärkung des Grundgesetzes, des Bundesverfassungsgerichts und des gesamten Rechtsstaats: „Wir feiern dieses Jahr den 75. Geburtstag unseres Grundgesetzes – die Grundlage unseres Rechtsstaates und unserer Demokratie. Und als Justiz sind wir uns einig, dass wir diese Werte besonders schützen und verteidigen müssen. Deshalb freue ich mich besonders, dass wir auf der Konferenz entscheidende Weichen für einen stärkeren Schutz des Bundesverfassungsgerichts gestellt haben und damit ein klares Signal nach außen und an alle Verfassungsfeinde gesendet haben. Auch strafrechtlich werden wir als Justiz hier klare Kante zeigen. Der Vorschlag Niedersachsens, entschieden gegen Angriffe mit demokratiefeindlicher Motivation vorzugehen, ist auf breite Zustimmung aller Ländern gestoßen ist. Hier muss der Bund jetzt schnell handeln.“
Mit Blick auf die inhaltlichen Beiträge Niedersachsens hob Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann hervor: „Wir haben für fast alle unserer Vorschläge eine Mehrheit der anderen Länder finden können. Diese Vorschläge decken ganz unterschiedliche Themenfelder ab. Wir haben uns unter anderem erfolgreich für einen besseren strafrechtlichen Schutz bei sogenannten ‚Maskengames‘ eingesetzt. Dabei geht es um digitale Hetzjagden, in denen sich Menschen digital zusammenrotten und ihrem Opfer auch in der realen Welt das Leben zur Hölle machen. Außerdem haben wir uns erfolgreich für Verbesserungen im Verwaltungsprozessrecht genauso wie im Bauträgerreicht eingesetzt. Dazu kommen ganz praktische Themen. Zum Beispiel werden wir uns in den kommenden Monaten gemeinsam Gedanken über neue Wege in der Nachwuchsgewinnung machen.
Was mich als JuMiKo-Vorsitzende besonders freut: Wieder einmal hat sich gezeigt, dass es den Justizministerinnen und Justizministern tatsächlich um die Sache – um die Justiz, um den Rechtsstaat, um die Demokratie – geht. Das sieht man nicht nur an der hohen Zahl der einstimmigen Beschlüsse, sondern auch daran, dass alle Beteiligten auch bei umstrittenen Themen stets fair miteinander umgegangen sind. Wir sind uns unserer Verantwortung für die Justiz als dritte Staatsgewalt sehr bewusst und nehmen sie wahr.“
Hamburgs Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz, Anna Gallina:
„Eine zentrale Frage dieser Konferenz war, wie wir den freiheitlichen Rechtsstaat stärken und die Justiz besser vor Verfassungsfeinden schützen. Der Blick in autoritär regierte Länder zeigt, wie sehr die Justiz unter Druck geraten kann. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung Hamburgs hat sich deshalb seit vergangenem Herbst damit befasst, wie das Bundes- und Landesrecht diesen Schutz noch besser sicherstellen kann, im Mittelpunkt stand die Stärkung des Bundesverfassungsgerichts. Die Beratungen waren intensiv, zielgerichtet und parteiübergreifend – und nun haben wir ein Paket an möglichen Maßnahmen und einen Gesetzentwurf zur Stärkung des Bundesverfassungsgerichts, der im Austausch mit ehemaligen Mitgliedern des Gerichts entstanden ist. Die Überlegungen sind ein guter Ausgangspunkt für die Gespräche zwischen dem Bund und den Ländern. Wir müssen gemeinsam eine mögliche Schwächung des Rechtsstaats verhindern und das Bundesverfassungsgericht stärker absichern.“
Beschlossen wurde auch ein Antrag zum zivilrechtlichen Umgang mit sogenannten Deepfakes, also manipulierten Fotos, Videos und Audiodateien. Der Bund wird aufgefordert, gesetzgeberische Maßnahmen zu prüfen, damit sich Betroffene schneller, einfacher und ohne großes Kostenrisiko zur Wehr setzen und auf Entschädigung klagen können. Dabei soll insbesondere auch die Rolle der Dienstanbieter, wie z.B. soziale Netzwerke, auf denen die Deepfakes veröffentlicht wurden, genauer in den Blick genommen werden. Zudem stellt der Beschluss Regulierungsbedarf bei den Programmen fest, mit denen Deepfakes erstellt werden können – zum Beispiel in Form einer Kennzeichnung ähnlich einem Wasserzeichen. Gallina: „Deepfakes verletzen das Persönlichkeitsrecht massiv und diskreditieren oder entwürdigen Personen des öffentlichen Lebens, aber auch Privatpersonen. Gleichzeitig können Deepfakes auch für gezielte Desinformation genutzt werden, dem Ruf von Personen, Institutionen und Unternehmen nachhaltig schaden und auch der Qualität der öffentlichen Debatte schweren Schaden zufügen.“
Die Konferenz sprach sich zudem für ein stärkeres Vorgehen gegen Hass und Hetze im Netz aus. Die Justizministerinnen und Justizminister haben den Bund bereits vor drei Jahren um Prüfung gebeten, ob bei Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung ein erweiterter Strafrahmen oder eine erhöhte Mindeststrafe notwendig ist, wenn die Tat rassistisch, antisemitisch oder generell menschenverachtend ist. Laut Beschluss sollen auch sexualbezogene Beleidigungen in die Prüfung miteinbezogen werden, genauso wie sogenannte Hate Storms – also von mehreren Personen nebeneinander begangene Beleidigungen im Internet. Gallina: „Die Zunahme von Hass und Hetze im Internet ist besorgniserregend. Gleichzeitig hinken unsere Gesetze in bestimmten Bereichen dem digitalen Zeitalter hinterher. Wir müssen deshalb das Unrecht der Beleidigung grundlegend überprüfen und gegebenenfalls an die digitale Realität anpassen. Hass und Hetze im Netz sind ein gewaltiges Problem, sexualbezogene Herabwürdigungen treffen vor allem Frauen und queere Personen und können für die Betroffenen erhebliche Folgen haben.“
Der Bayerischer Staatsminister der Justiz, Georg Eisenreich, fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen: „Von der 95. Justizministerkonferenz gehen erneut wichtige Impulse aus. Demokratie und Rechtsstaat sind aktuell durch Feinde von innen und außen herausgefordert. Die Länder haben gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg ein starkes Signal für einen wehrhaften Rechtsstaat gesetzt.“
Auf Initiative Bayerns fordert die 95. Justizministerkonferenz den Bund zudem auf, wichtige Reformen zum Schutz der Menschen vor neuen Gefahren der digitalen Welt anzugehen. Eisenreich: „Dazu zählt ein besserer Schutz vor Cybermobbing.“
Die Konferenz setzt sich auf Vorschlag Bayerns auch für eine Prüfung ein, ob und unter welchen Voraussetzungen öffentliche Aufrufe zur Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung strafrechtlich geahndet werden können. Eisenreich: „Bislang sind öffentliche Aufrufe zur Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung in Deutschland für sich genommen nicht strafbar. Deshalb hat die Justizministerkonferenz den Bundesjustizminister gebeten, die Möglichkeiten für eine strafrechtliche Ahndung zu prüfen. Anlass für diesen bayerischen Antrag waren öffentliche Forderungen nach Einführung eines Kalifats. Das ist völlig inakzeptabel.“
Minister Eisenreich: „Die Justizministerinnen und Justizminister haben zudem die Möglichkeiten der weiteren Beschleunigung asylgerichtlicher Verfahren erörtert. Die Verfahrenslaufzeiten asylgerichtlicher Verfahren haben sich bereits deutlich verkürzt. Ergänzend soll die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch künftig in dem Ziel, die Verfahrenslaufzeiten insgesamt weiter zu reduzieren, unterstützt werden. Dazu wird eine Arbeitsgruppe zur nächsten Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister die Ergebnisse ihrer Beratungen vorlegen.“
Auf Initiative Bayerns schlagen die Justizministerinnen und -minister zudem eine Reform des Verkehrsstrafrechts vor. Eisenreich: „Das Verkehrsstrafrecht muss dringend reformiert werden. Die gesetzlich vorgesehenen Strafen stehen derzeit in einigen Fällen in keinem Verhältnis zum Leid der Opfer und ihrer Hinterbliebenen. Die Teillegalisierung von Cannabis kann zu einem Anstieg schwerer Verkehrsunfälle führen. Wir wollen Menschen auch vor diesem Hintergrund besser im Straßenverkehr schützen und fordern u. a. härtere Strafen bei Rauschfahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss, bei denen Menschen ums Leben kommen.“
Abschließend betonte Dr. Kathrin Wahlmann: „Mein besonderer Dank gilt den vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Justiz, die geholfen haben, die Konferenz zu einem Erfolg zu machen. Auch bei der Landeshauptstadt Hannover und dem Team von Schloss Herrenhausen möchte ich mich herzlich bedanken. Wir haben uns wirklich rundherum willkommen gefühlt.“ Gleichzeitig richtete die niedersächsische Justizministerin den Blick nach vorn: „Ich freue mich bereits auf ein Wiedersehen mit meinen Kolleginnen und Kollegen bei der Herbstkonferenz in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin.“
Die Beschlüsse der Konferenz sind abrufbar unter www.jumiko.de
(c) StMJ, 06.06.2024