Das Landgericht München I – Schwurgericht – hat den Angeklagten am 30.04.2024 wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt.
Die Vorsitzende Elisabeth Ehrl hielt am 20. Verhandlungstag eingangs fest, dass die Kammer nach einer äußerst umfangreichen Beweisaufnahme keine vernünftigen Zweifel daran hat, dass der Angeklagte seine langjährige gleichaltrige Lebensgefährtin im November 2021 in einem Hotelzimmer in München getötet hat.
Das Gericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Die Geschädigte und der Angeklagte führten eine langjährige, aber immer wieder durch Trennungen unterbrochene Beziehung, aus der zwei gemeinsame Kinder hervorgingen. Anlass für regelmäßigen und wiederkehrenden Streit zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten war die mit Unterbrechungen immer wieder zeitweise ausgeübte Tätigkeit der Geschädigten als Prostituierte. Der Angeklagte lehnte diese nach den Feststellungen des Gerichts vehement ab. Dennoch ging die Geschädigte immer wieder der Prostitution nach, um die gemeinsame Familie zu ernähren und finanziell vom Angeklagten unabhängig zu sein. Der Angeklagte beschimpfte die Geschädigte deswegen, arrangierte sich aber zumindest zeitweise auch damit, weil die Geschädigte jedenfalls im Jahr 2021 zur Alleinverdienerin in der Familie geworden war. Im November 2021 wollte die Geschädigte in München als Prostituierte arbeiten. Der Angeklagte begleitete sie dorthin und mietete mit ihr gemeinsam zwei Hotelzimmer an. Einerseits drängte der Angeklagte die Geschädigte weiterhin dazu, die Arbeit als Prostituierte aufzugeben, andererseits bemühte er selbst sich aber nicht um eine alternative Erwerbsquelle. Im gemeinsam bewohnten Hotelzimmer kam es am 25.11.2021 schließlich zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten. In dessen Verlauf wirkte der Angeklagte mit Fußtritten oder mit einem Gegenstand auf den Oberkörper der Geschädigten ein und nutzte dabei seine körperliche Überlegenheit aus. Zudem strangulierte er die Geschädigte. Die aus diesen Angriffen resultierenden Verletzungen führten zu einem Herz-Kreislaufversagen, das den Tod der Geschädigten verursachte. Nach der Tat entkleidete der Angeklagte die Geschädigte und legte die Leiche in einen mittelgroßen Koffer. Anschließend verbrachte er den Koffer in seinen angemieteten PKW, kaufte Benzin im einstelligen Literbereich, legte die Leiche in einem Waldstück bei Berg ab und versuchte die Leiche zu verbrennen,was nur teilweise erfolgreich war. Bereits in der Nacht versuchte er noch seine Täterschaft zu vertuschen, indem er Nachrichten über den Facebook Messenger an die Geschädigte schickte. Bereits am Folgetag rief er eine Ex-Freundin an und teilte ihr mit, dass die Geschädigte ihn verlassen habe. Der Angeklagte regte an, doch die Beziehung zu ihm wieder aufzunehmen. Auf Nachfrage der Ex-Freundin gab er an, dass die Geschädigte sicher nicht zu ihm zurückkehren werde.
Die Vorsitzende hob hervor, dass sie selten einen Angeklagten erlebt habe, der so viel geredet und sich dabei so häufig selbst widersprochen habe; der Angeklagte habe seine Einlassung auch auf Bereiche ausgedehnt, die mit dem Tatvorwurf nichts zu tun hätten, so dass es eine herausfordernde Aufgabe gewesen sei, die Aussage vollständig zu würdigen. Der Angeklagte hat den Tatvorwurf bis zum Ende der Hauptverhandlung bestritten. Diese Einlassungwertete die Kammer im Ergebnis als bloße Schutzbehauptung. Die denktheoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs sei so fernliegend, dass sie angesichts der Vielzahl der gegen ihn sprechenden Indizien ausgeschlossen werden könne. Wie bei einem großen Puzzle würden sich die einzelnen Bestandteile der Beweiswürdigung am Ende zu einem klaren Gesamtbild zusammenfügen, aus dem der Angeklagte ohne vernünftige Zweifel als Täter hervorgehe. Die Strafkammer erachtet bei einer Gesamtwürdigung der Indizien die denktheoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, bei welchem der Angeklagte mit dem Tode der Geschädigten nichts zu tun haben könnte und diese das Hotelzimmer lebend verlassen hat, als so fernliegend, dass sie ausgeschlossen werden konnte . Neben der Auswertung des Türöffnungsprotokolls aus einem der Hotels, sowie mtDNA-Spuren spielten insbesondere Erkenntnisse aus der Auswertung von Mobiltelefonen und Verbindungsdaten eine entscheidende Rolle. Elisabeth Ehrl betonte, dass dies nicht das erste Verfahren sei, bei dem das Schwurgericht mit einem Sachverhalt konfrontiert sei, bei dem zwei Menschen in einem Zimmer seien und nur eine der beiden Personen dies überlebe, aber behaupte, mit dem Tod der anderen Person nichts zu tun zu haben. Wichtig sei in derartigen Verfahren die sorgfältige Bewertung der einzelnen Indizien und Umstände sowie die abschließende Gesamtwürdigung.
In rechtlicher Hinsicht wertete das Schwurgericht die Tat in Übereinstimmung mit dem Staatsanwalt Matthias Enzler die Tat als Totschlag. Es ging von einem bedingten Tötungsvorsatz aus und konnte sich – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft – vom Vorliegen eines Mordmerkmals keine Überzeugung verschaffen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München II steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
(c) LG München II, 30.04.2024