In dem Strafverfahren gegen den in Dänemark lebenden Vater der beiden Kinder, die im August 2021 von einem Besuchswochende beim Vater nicht nach Hamburg zurückgebracht worden waren, wegen des Vorwurfs der Entziehung Minderjähriger hat das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 25. April 2024 die amtsgerichtliche Nichteröffnungsentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Nach der den Beteiligten heute bekannt gegebenen Entscheidung besteht ein hinreichender Tatverdacht gegen den Angeschuldigten, dem vorgeworfen wird, die Kinder der Mutter im Sinne von § 235 Abs. 2 Nr. 2 StGB im Ausland vorenthalten zu haben. Soweit das Amtsgericht sich auf eine EuGH-Entscheidung gestützt hatte, nach der für den Tatbestand der Entziehung Minderjähriger in EU-Mitgliedsstaaten dasselbe gelten müsse wie im Inland, also die Vorenthaltung eines Kindes nur dann strafbar sei, wenn dies mit Gewalt, durch Drohung oder List geschehe, hält das Landgericht diese Entscheidung im vorliegenden Fall nicht für anwendbar. Wie der vorliegende Fall zeige, bestünden im Verhältnis zu Dänemark, das die sog. Brüssel IIa/b-VO als einziger EU-Staat nicht ratifiziert habe, ähnliche Schwierigkeiten bei der Umsetzbarkeit deutscher familiengerichtlicher Entscheidungen wie im Verhältnis zu Drittstaaten. Während nach den Regelungen der Brüssel IIa/b-VO familiengerichtliche Entscheidungen aus dem EU-Ausland ohne eigene Nachprüfung in der Sache anerkannt und vollstreckt würden, behalte sich Dänemark eine eigene Prüfung vor, ob die Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung dem Kindeswohl diene, was die dänischen Gerichte im vorliegenden Fall verneint hätten. Nach Auffassung des Landgerichts sei deshalb der Straftatbestand der Entziehung Minderjähriger in der vorliegenden Konstellation auch dann anwendbar, wenn dem Angeschuldigten wie hier nicht vorgeworfen wird, die Kinder mit Gewalt, durch Drohung oder List vorenthalten zu haben.
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Anklage und einer Eröffnung des Hauptverfahrens vor; gleichwohl hat das Landgericht von eigener eigenen Sachentscheidung abgesehen und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Grund dafür ist, dass das Verfahren nach Auffassung des Landgerichts mit Rücksicht auf die Belange der möglicherweise als Zeugen zu vernehmenden Kinder und wegen einer durch die intensive Medienberichterstattung gespeisten besonderen Bedeutung vor einer Großen Strafkammer des Landgerichts (Jugendschutzkammer) verhandelt werden sollte. Da das Landgericht die Sache im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht an sich ziehen kann, soll das Amtsgericht mit der Zurückverweisung in die Lage versetzt werden, das Verfahren dem Landgericht zur Übernahme vorzulegen.
(c) LG Hamburg, 26.04.2024