Mit einer Initiativstellungnahme regt der Deutsche Anwaltverein (DAV) eine umfassende Reform der Tötungsdelikte an. Zwar sieht ein Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums (BMJ) bereits eine sprachliche Bereinigung der überwiegend aus der NS-Zeit stammenden Begriffe vor. Eine bloß kosmetische Anpassung verkennt nach Auffassung des DAV den umfassenden Überarbeitungsbedarf. Im Kern der DAV-Vorschläge steht der Grad der Verantwortung. Auch beim Mord soll ein Strafrahmen eingeführt werden.
DAV spricht sich für eine umfassende Reform der Tötungsdelikte (§§ 211 bis 213 StGB) aus, insbesondere zur Differenzierung von Mord (§ 211) und Totschlag (§ 212). Ein Eckpunktepapier des BMJ von November 2023 sieht zwar bereits eine sprachliche Anpassung dieser Vorschriften vor, die im Wesentlichen aus dem Jahr 1941 stammen und auf der NS-Lehre vom „Tätertyp“ beruhen. Dem DAV greift dies zu kurz: „Eine reine sprachliche Bereinigung löst nicht das grundlegende Problem, dass moralisierende Mordmerkmale zwingend mit einer absoluten (Freiheits-)Strafe verknüpft sind“, erläutert Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernd Müssig, Mitglied des Ausschusses Strafrecht des DAV. „Aktuell ist diese Regelung immer noch Ausdruck einer – historisch dunkel überlagerten – innerstaatlichen Feinderklärung.“
Mit seiner Initiativstellungnahme schlägt der DAV nun ein Regelungsmodell vor, das zwischen Mord und Totschlag sachlich-rechtlich differenziert, nämlich nach dem Grad der Verantwortung: Ist ein Täter nach rechtlichen Kriterien allein für die Tat verantwortlich, ist der Vorwurf des Mordes als Qualifikationstatbestand begründet – ein solch rechtlich nichtiger Tatanlass läge beispielsweise bei Hassdelikten, wie auch dem sogenannten Femizid vor. Sind hingegen auch entlastende Aspekte gegeben, so liegt Totschlag vor. „Die Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag bliebe damit erhalten, erfolgt aber auf Grundlage rechtlicher Kriterien und nicht über täterorientierte Gesinnungsmerkmale“, so Müssig.
Eine nicht alleinige Verantwortung auf Täterseite wäre beispielsweise bei konfliktverursachendem Vorverhalten des späteren Opfers gegeben. Greifbar wird dies etwa in der Konstellation des „Haustyrannen-Mords“: Die jahrelang misshandelte Frau tötet als vermeintlich letzten Ausweg ihren Partner im Schlaf – nach aktueller Gesetzlage heimtückisch und damit als Mord zu qualifizieren. Bei Differenzierung nach Verantwortungssphären wäre dies – zu Recht – nur Totschlag.
Lebenslang – ja, aber nicht zwingend
Auch die lebenslange Freiheitsstrafe soll nach Auffassung des DAV bestehen bleiben – allerdings nicht als Automatismus. Um auch beim Mord auf der Schuldebene differenzieren zu können, soll auch hier ein Strafrahmen gelten, der die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ermöglicht, aber nicht darauf beschränkt ist. Der DAV schlägt hier eine Spanne von 10 Jahren bis lebenslange Freiheitsstrafe vor. „Dies gibt den Gerichten die Möglichkeit, die Strafe im Einzelfall gerechter zu bestimmen“, so der DAV-Strafrechtsexperte.
Prominentes Beispiel war der Fall um Marianne Bachmeier, die den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter im Gericht von hinten erschoss und – trotz ursprünglicher Mordanklage – am Ende wegen Totschlags verurteilt wurde. „Lebenslang“ war in diesem Kontext undenkbar. Gerichte sollten aber nicht in die Verlegenheit kommen, die Tatbestandsmerkmale zu verbiegen, um nur irgendwie aus dem Mord-Paragraphen herauszukommen – nur, weil die Androhung von „lebenslang“ in der Gesamtschau der Tat unerträglich wäre. Dafür braucht es die entsprechende Spanne.
Für nähere Ausführungen inklusive eines Formulierungsvorschlags für die §§ 211 bis 213 StGB siehe Initiativstellungnahme 07/2024.
(c) DAV, 26.03.2024