Mit einem Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU zur „Bekämpfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls“ befasste sich der Rechtsausschuss in einer öffentlichen Anhörung am Montag, 18. März 2024.
Neun Sachverständige nahmen Stellung zu der Vorlage, mit der die für den Wohnungseinbruchdiebstahl (WED) befristet vorgesehene Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) über den 11. Dezember 2024 hinaus gelten soll (20/9720). Sie sprachen sich überwiegend für eine Entfristung aus.
Wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, in seiner Stellungnahme erläuterte, wurden mit dem vor fünf Jahren beschlossenen Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens (19/14747) die Befugnisse der Ermittlungsbehörden im Bereich der TKÜ durch die Aufnahme des WED in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung als sogenannte Katalogtat in die Strafprozessordnung befristet erweitert.
Kelber betonte, dass die Telefonüberwachung ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht aus Artikel 10 des Grundgesetzes sei, nach dem das Fernmeldegeheimnis unverletzlich ist. Zudem dürfte sie nur in sehr wenigen besonderen Fallkonstellationen eine erfolgversprechende Ermittlungsmaßnahme zur Aufklärung der Tat darstellen. Eine angestrebte Effizienz-Beurteilung der Regelung sei nicht möglich, da weder die Deliktszahlen noch die Aufklärungsquoten der Kriminalstatistik der letzten Jahre repräsentativ seien.
Da die Wirksamkeit der bisherigen Gesetzesänderung noch nicht abgeschätzt werden könne, wäre eine permanente Aufnahme des WED vor dem Hintergrund der Intensität des Eingriffs verfrüht, sagte Kelber. Er sprach sich für eine repräsentative Evaluierung und eine Verlängerung der ursprünglichen Regelung um weitere fünf Jahre aus. Kelber nahm an der Anhörung teil, da die Geschäftsordnung des Bundestages vorsieht, bei Gesetzentwürfen, die die Verarbeitung personenbezogener Daten betreffen, dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Gelegenheit zur Teilnahme an der Anhörung zu geben.
Die Vertreter der Strafverfolgungsbehörden begrüßten den Gesetzentwurf. Peter Holzwarth, Oberstaatsanwalt, Leiter der Abteilung für organisierte Kriminalität bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart, erklärte in seiner Stellungnahme, die TKÜ verbessere in geeigneten Fällen die Aufklärungsmöglichkeiten erheblich und sei deshalb nach wie vor erforderlich. In der Praxis werde bei ungeklärten Wohnungseinbrüchen sehr sparsam von der Möglichkeit der TKÜ Gebrauch gemacht, woraus zu schließen sei, dass die besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie das Erfordernis der Subsidiarität durchaus ernst genommen werden.
Lars Mahnke, Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Hamburg, der den Deutschen Richterbund vertrat, verwies auf eine Evaluierung des Bundesjustizministeriums unter Einbindung der Länder, des Generalbundesanwaltes und des Bundeskriminalamtes, die mit Schreiben vom 26. Februar 2024 dem Ausschuss übersandt worden sei. Die Praxis spreche sich danach einhellig für eine Entfristung der bestehenden Möglichkeit aus, jedenfalls aber für eine Verlängerung der Befristung. Die dort genannten Argumente überzeugten vollständig.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter begrüßt nach den Worten seines Bundesvorsitzenden Dirk Peglow den Gesetzentwurf ausdrücklich, da er den polizeilichen Ermittlerinnen und Ermittlern auch zukünftig die Möglichkeit gebe, Straftaten aufzuklären, die erhebliche Eingriffe in den persönlichen Lebensbereich der Bürgerinnen und Bürger darstellten. Aus Sicht der polizeilichen Praxis sollte der WED auch weiterhin in den Katalog der Strafprozessordnung aufgenommen werden, unter anderem weil die TKÜ zur Aufklärung bislang unbekannter Mittäter oder Täterstrukturen beitrage und Hinweise auf begangene oder geplante Straftaten, Beuteabsatz sowie zur Identifizierung von Hehlern und Anmietung von Tatfahrzeugen gebe.
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Alexander Poitz, bezeichnete die TKÜ ebenfalls als notwendiges Instrument bei der Bekämpfung des WED und forderte die Entfristung im bestehenden Gesetz. Die langjährige Erfahrung polizeilicher Ermittlerinnen und Ermittler zeige, dass Täterstrukturen regelmäßig nicht mehr aufzuklären sind, wenn die Möglichkeit zur Kommunikationsüberwachung entfalle. Positiv sei auch, dass die TKÜ künftig bei Einbruchdiebstahl zulässig sein soll, ohne dass zugleich einschränkend der Verdacht eines bandenmäßig begangenen Diebstahls vorliegen müsse. Eine erneute Befristung der Regelung für weitere fünf Jahre, wie sie im aktuellen Diskurs vorgeschlagen werde, sei aus Sicht der GdP nicht zielführend.
Auch Oberstaatsanwalt Thorsten Thamm von der Staatsanwaltschaft Memmingen sprach sich dafür aus, den WED nach Paragraf 244 Absatz 4 des Strafgesetzbuches unbefristet als Katalogstraftat in der Strafprozessordnung zu belassen. Dadurch und mit den damit neben der Telefonüberwachung zugleich ermöglichten weiteren Ermittlungsmaßnahmen könnten Hinweise auf die Person des Täters, Erkenntnisse über die Tatplanung oder etwaige zurückliegende Taten gewonnen werden.
Aus der Sicht von Gina Rosa Wollinger von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, ist nicht davon auszugehen, dass die Umsetzung des Gesetzentwurfs maßgeblich an den Fallzahlen und der Aufklärungsquote etwas ändern wird. Dafür hätten sich bislang nicht deutlich genug Änderungen seit 2019 gezeigt, und der geringe Einsatz der Maßnahme spreche auch nicht für einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtsituation. Vor diesem Hintergrund griffen die Hauptargumente des Gesetzentwurfs nicht. Dennoch scheine eine Beibehaltung der gegenwärtigen Gesetzeslage und insofern eine Zustimmung zum Gesetzentwurf berechtigt, da der Ermittlungsansatz bei WED überwiegend nicht ausreichend sei.
Björn Gercke, Mitglied des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), und Gül Pinar, Mitglied des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins (DAV), lehnten in ihren Stellungnahmen den Gesetzentwurf ab. Gercke sagte, die Evaluierung des Bundesjustizministeriums lasse eine kaum messbare Bedeutung der Regelung in der Ermittlungspraxis erkennen. In jedem Fall wäre eine Fortgeltung zu befristen. Zudem sei die TKÜ sei eine der grundrechtsinvasivsten Maßnahmen, die die Strafprozessordnung kenne. Der abzulehnende Gesetzentwurf reihe sich aus Sicht der BRAK nahtlos in den Trend zur Ausweitung strafprozessualer Befugnisnormen ein, sagte Gercke, der von Symbolpolitik sprach. Auch der DAV widerspricht Pinar zufolge der vorgesehenen Regelung, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis darstelle. Die Evaluierung des Bundesjustizministeriums sei nicht geeignet, die Bedenken gegen eine Verlängerung der Aufnahme des WED in den Katalog zu beseitigen.
Die Sachverständigen Holzwarth, Poitz und Thamm nahmen auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion an der Anhörung teil, Mahnke und Peglow wurden von der SPD-Fraktion nominiert, Gehrke und Wollinger von der Fraktion Bündnis90/Die Grünen und Pinar von der FDP-Fraktion.
Wie die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Entwurf schreibt, sind die registrierten WED-Fälle laut der Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 in der Zeit zwischen 2019 und 2021 zurückgegangen, dann aber im Jahr 2022 auf insgesamt 65.908 Taten angestiegen. Die Aufklärungsquote sei demgegenüber gesunken und habe bei 16,1 Prozent gelegen. Die Anzahl der Wohnungseinbrüche sei damit bei Weitem zu hoch und die Aufklärungsquote bei Weitem zu gering.
(c) HiB Nr. 166, 19.03.2024