Der Rechtsausschuss hat sich am Mittwoch, 13. März 2024, im Rahmen einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen „zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit der unzulässigen Interessenwahrnehmung“ (20/10376) befasst. Die Sachverständigen begrüßten grundsätzlich das Anliegen des Entwurfes sowie – mit Einschränkungen – die konkrete Umsetzung. Im Detail forderten die Expertinnen und Experten neben Anpassungen im Wortlaut und in der Regelungstechnik auch teilweise weitergehende Regelungen.

Nach dem Entwurf soll ein Abgeordneter mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wenn der Abgeordnete für sich oder einen Dritten einen „ungerechtfertigten Vermögensvorteil“ fordert oder annimmt beziehungsweise sich versprechen lässt, um Interessen des Vorteilsgebers oder eines Dritten „während seines Mandates“ durch Handeln oder Unterlassen wahrzunehmen. Gemeint ist damit laut Begründung etwa die Einflussnahme auf Bundesministerien und Behörden. Umgesetzt werden soll die Regelung in einem neuen Paragraf 108f Strafgesetzbuch. Mit dem Entwurf reagiert die Koalition auch auf die Rechtsprechung im Nachgang der Maskenaffäre.

Die hib-Meldung zum Gesetzentwurf: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-990734

Die Richterin am Bundesgerichtshof Angelika Allgayer begrüßte den Gesetzentwurf. Die Integrität des Entscheidungsprozesses sei darauf angewiesen, dass jeder einzelne Abgeordnete sein Mandat verantwortlich ausübe, sagte die von CDU/CSU-Fraktion vorgeschlagene Sachverständige in ihrem Eingangsstatement. Als nicht überzeugend bezeichnete sie den Ausschluss sämtlicher kommunaler Mandatsträger aus dem Täterkreis.

Der Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof Wolfram Nettersheim betonte, der Entwurf schließe eine wichtige Lücke. Den dynamischen Bezug auf Normen wie das Abgeordnetengesetz befand der von der Unionsfraktion benannte Sachverständige als „nicht schlecht“. Damit ließe sich auf einen Wandel reagieren, ohne die Norm zu ändern.

Die Rechtswissenschaftlerin Professorin Katharina Beckemper von der Universität Leipzig betonte, dass eine gesetzliche Regelung notwendig sei. Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannte Sachverständige sagte, der Wortlaut schreie einen indes an: „Ich bin ein Kompromiss.“ Eine weiterreichende Regelung wäre auch möglich gewesen, etwa beim Täterkreis, der Kandidaten nicht erfasse. Auch sei unklar, ob entgeltliche Beratungstätigkeiten von der Norm erfasst sind oder nicht.

Der Rechtswissenschaftler Professor Jörg Eisele von der Eberhard Karls Universität Tübingen bezeichnete den Entwurf als „im Kern gut gelungen“. Er bemühe sich, „dem Tatbestand Konturen zu verleihen und ihn nicht ausufern zu lassen“, sagte der von der Unionsfraktion vorgeschlagene Sachverständige. Den im Entwurf vorgesehenen Bezug auf „Vermögensvorteile“, den andere Sachverständige kritisch sahen, begrüßte Eisele als sachgerecht.

Der Rechtswissenschaftler Professor Mohamad El-Ghazi von der Universität Trier begrüßte den Entwurf nachdrücklich. Kritisch merkte der von der FDP-Fraktion benannte Sachverständige an, dass die als „Blankettklausel“ konstruierte Norm drohe, in bestimmten Konstellationen nicht zu greifen.

Ähnlich äußerte sich der Rechtswissenschaftler Professor Till Zimmermann von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Die Norm drohe ins Leere zu laufen, wenn das betroffene Parlament kein „ausdrückliches und glasklares Verbot des missbräuchlichen Einflusshandels in seinen Verhaltensregeln oder im Abgeordnetengesetz vorsieht“. Das sei aktuell in 14 Bundesländern, dem Europaparlament sowie der Parlamentarischen Versammlung des Europarates der Fall, so der ebenfalls von der FDP-Fraktion benannte Sachverständige.

Der Rechtswissenschaftler Michael Kubiciel von der Universität Augsburg betonte, dass der Entwurf für Abgeordnete nur eine neue Sanktionsandrohung vorsehe, an Verhaltensnormen ändere sich nichts. Die eigentliche Neuerung trete auf Geberseite ein, hier schließe sich eine Rechtslücke, sagte der von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige.

Der Rechtswissenschaftler Professor Erol Pohlreich von der Europa-Universität Viadrina merkte in seinem Eingangsstatement an, dass es natürlich schön sei, wenn es einen Kompromiss gebe. „Wenn Vertrauen zerstört ist, bedarf es manchmal einer größeren Geste als einer kleinen kompromisshaften, um Vertrauen zu bilden“, sagte der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannte Sachverständige. Als Tücken im Entwurf bezeichnete er zu einen die Unklarheit darüber, ob die entgeltliche Beratungstätigkeit erfasst ist oder nicht. Zum anderen problematisierte er die auch von anderen Sachverständigen kritisierte Formulierung „während des Mandats“.

Die jeweils von der SPD-Fraktion als Sachverständige benannten Vertreter der zivilgesellschaftlichen Organisationen LobbyControl e.V. und Transparency International begrüßten den Gesetzentwurf im Grundsatz ebenfalls. Für Transparency International wies Professor Wolfgang Jäckle in seiner Stellungnahme auf weitergehenden Anpassungsbedarf auch in Paragraf 108e Strafgesetzbuch hin, der die Abgeordnetenkorruption regelt.

Für LobbyControl e.V. betonte Timo Lange die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Regelung. Die Bundestagsverwaltung habe weder die Möglichkeiten noch die Ermittlungskompetenzen, um solchen Verstößen gegen Normen des Abgeordnetenrechts nachzugehen. Lange forderte ebenfalls, klarzustellen, ob entgeltliche Beratungstätigkeit erfasst sei oder nicht.

(c) HIB Nr. 149, 13.03.2024

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