Um die Elementarschadenabsicherung in der Wohngebäudeversicherung ging es in einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss am Montag, 11. März 2024. Gegenstand war ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/8723) mit dem Titel „Elementarschadenversicherung fit für die Zukunft machen“. Angesichts der stetigen Zunahme von Groß- und Kleinschadenereignissen aufgrund von Klima- und Wetterveränderungen wird die Bundesregierung darin aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der unter anderem eine versicherungsvertragsrechtliche Sicherstellung vorsieht, „dass im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit einer Elementarschadenabsicherung angeboten wird, die nach Belehrung über die Konsequenzen abgewählt werden kann“. Besonders eine mögliche Versicherungspflicht war bei den Sachverständigen umstritten. Die Fragen der Abgeordneten betrafen vor allem ein mögliches Opt-out, Präventionsmaßnahmen und eine staatliche Rückversicherung.
Aus der Sicht von Oliver Brand, Lehrstuhlinhaber von der Universität Mannheim, greift der Antrag einen dringenden Handlungsbedarf auf. Großschadensereignisse wie die Ahrtalflut im Juli 2021 zeigten, dass dem Bestand der Wohngebäude im Zuge des Klimawandels zunehmend Schäden durch die nicht mitversicherten Elementarereignisse droht. Da die Bereitschaft, freiwillig Versicherungsschutz gegen Elementarschäden zu suchen, nicht stark ausgeprägt sei, scheine eine Pflichtversicherung auf den ersten Blick ein probates Mittel, dem Problem abzuhelfen. Auch in Deutschland sei eine Pflichtversicherung für Elementarschäden abstrakt denkbar, aber im Ergebnis nicht unbedingt zu befürworten. Das liege vornehmlich an den mit einer Pflichtversicherung verbundenen Kosten-Risiken für die Versicherten.
Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, erklärte in ihrer Stellungnahme, der Antrag sei ein konstruktiver Beitrag zur Diskussion um die Elementarschadenversicherung. Er sei ein ernsthafter Versuch, die Komplexität des Themas zu erfassen und eine ganzheitliche Lösung anzustreben, die aus mehr als nur Versicherungsschutz besteht. Eine singuläre Pflichtversicherungslösung, wie sie die Bundesländer forderten, führte zu explodierenden und letztlich unbezahlbaren Prämien für die Verbraucher, aber auch die Versicherer, die sich infolge des Klimawandels Stück für Stück aus dem Markt der Naturgefahrenversicherung zurückziehen oder ihn gänzlich aufgeben würden.
Ernst Rauch, Chefklimatologe der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Munich Re, wies darauf hin, dass es mit Blick auf die Naturkatastrophenversicherung in Deutschland eine hohe Absicherungsquote gegen Sturm und Hagel gebe, aber eine erhebliche Versicherungslücke gegen Überschwemmung und weitere Elementargefahren. Entscheidend sei unter anderem, dass nur mit einem angemessenen Preis für Versicherungsschutz Anreize für bessere Vorbeugemaßnahmen geschaffen würden. Mehr Vorsorge führe bei Extremwetter zu deutlich reduzierten Schäden und damit zu einer finanziellen Entlastung der Gesellschaft. Der Staat könne die Versicherbarkeit und den Preis für Versicherungsschutz durch staatliche Präventionsmaßnahmen sehr positiv beeinflussen. Brand, Käfer-Rohrbach und Rauch waren auf Vorschlag der Fraktion der CDU/CSU zur öffentlichen Anhörung eingeladen.
Stephen Rehmke, Vorstand der Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten, ging auf den Unionsvorschlag ein, wonach künftig ein Elementarschadenbaustein bei Wohngebäudeversicherungen aktiv angeboten, aber auch abgelehnt werden kann. Das Ziel einer Elementarschadenversicherung müsse jedoch die weitestmögliche Verbreitung sein. Eine solche Versicherung lasse sich auch als fester Bestandteil einer Wohngebäudeversicherung ausgestalten, ohne dass es sonderlich systemfremd wäre, so Rehmke. Belasse man es bei einer Abwahlmöglichkeit, werde man nicht annähernd die Versicherungsdichte erreichen, die man bei den klassischen Wohngebäudeversicherungen schon habe und die man für einen tragbaren Risikoausgleich brauche.
Jakob Thevis, stellvertretender Vorstand des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz, einem deutsch-französíschen Verein, ging auf die Unterschiede zwischen den Wohngebäudeversicherungssystemen beider Länder ein. So betrage die Versicherungsdichte in Deutschland rund 50 und in Frankreich 98 Prozent. Dabei sei die Versicherungspflicht in Frankreich nicht so streng, wie man es vermuten könnte. Nur dann, wenn man eine Gebäude- oder Hausratversicherung abschließe, sei eine Elementarschadenversicherung inbegriffen. Allerdings müsse in Frankreich eine wertlose Immobilie nicht versichert werden. Die geringen Kosten dieser Versicherung würden durch die Kooperation von Privatwirtschaft und Staat möglich.
Der Deutsche Mieterbund unterstützt nach Angaben von Bundesdirektorin Melanie Weber-Moritz Bemühungen, die Verbreitung von Elementarschadenversicherungen zu erhöhen. Angesichts der mit dem Klimawandel verbundenen Gefahren für Gebäude teile der Mieterbund grundsätzlich die Auffassung, dass Eigentümerinnen und Eigentümer durch den Abschluss einer Versicherung Eigenvorsorge treffen sollten statt solche Schäden gegebenenfalls durch die Gewährung staatlicher, aus Steuermitteln finanzierter Unterstützungsleistungen zu vergemeinschaften. Im Hinblick auf vermietete Wohngebäude muss jedoch dafür gesorgt werden, dass die Kosten derartiger Versicherungen tatsächlich von den vermietenden Eigentümerinnen und Eigentümern getragen und nicht von den Mietenden gezahlt werden. Rehmke, Thevis und Weber-Moritz waren auf Vorschlag der SPD-Fraktion eingeladen.
Mathias Land von der Deutschen Aktuarvereinigung sagte, die Versicherungsmathematiker sähen die Frage nach einer Pflichtversicherung oder auch nach einer Selbstverpflichtung der Industrie in erster Linie als eine politische Frage. Daneben seien Punkte wichtig, die in jedem Fall zu tun hätten mit einer flächendeckenden Elementarschadenversicherung. Es seien drei Säulen im Blick zu behalten: die Bezahlbarkeit bei einer risikogerechten Kalkulation, eine bessere Prävention, um die Prämien zu senken, und eine staatliche Rückversicherung. Dieser Teil des Vorschlags der Unionsfraktion werde begrüßt.
Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland, dem Zentralverband der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, gab zu bedenken, dass eine Versicherungspflicht keinen Schadensfall verhindere. Dass erst gar keine Schäden entstehen oder diese zumindest minimiert werden, sei jedoch die eigentliche Aufgabe der Politik. Haus & Grund lehne die Einführung einer Versicherungspflicht ab. Begrüßt werde der Gedanke der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Versicherungsquote zu erhöhen und gleichzeitig den Staat als Rückversicherer in einem risikobezogenen Prämiensystems zu etablieren. In den Mittelpunkt der Diskussion müsse allerdings der Präventionsgedanke gerückt werden, sagte Warnecke, der wie Land auf Vorschlag der FDP-Fraktion teilnahm.
Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung verwies darauf, dass eine Elementarschadenversicherung, anders als die Kfz-Versicherung, nicht verpflichtend ist. Nur etwa die Hälfte aller Wohngebäude sei umfassend gegen Elementarschäden wie Hochwasser und Starkregen versichert. Angesichts dessen bestehe ein breiter politischer Konsens darüber, dass deutlich mehr, wenn nicht sogar alle Hausbesitzer eine Elementarschadenversicherung abschließen sollten. Allerdings sei der Weg dorthin umstritten. Er empfehle, so Schwarze, eine gesetzlich angeordnete Versicherungspflicht, die präventionsorientiert ausgestaltet und durch staatliche Maßnahmen zu einer umfassenden Naturgefahren-Absicherung ausgebaut werden müsse. Schwarze nahm auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen teil.
Über den Antrag war erstmals Ende November vergangen Jahres im Plenum diskutiert worden. Neben einer Elementarschadenabsicherung soll eine staatliche Rückversicherung für Elementarschäden mit Prämienkorridor eingeführt und Planungsträger in den Ländern für ihre Verantwortung bei einer Bauleitplanung in besonders schadensgefährdeten Gebieten sensibilisiert werden. Geprüft werden soll zudem eine Konkretisierung der Staatshaftungsregeln der planenden Körperschaften, die neue Baugebiete in bisher unbesiedelten Arealen trotz dieser Risiken ausweisen.
Zur Begründung heißt es unter anderem, die Gründe für die geringe Absicherung gegen ein hohes existenzielles Risiko seien auf der Nachfrageseite zu suchen. Ein weiterer Aspekt der Problematik seien die nicht ausreichenden Präventionsmaßnamen und Klimafolgenanpassungen. Abschließend verweist der Antrag darauf, dass es Pflichtversicherungen regelmäßig nur im Bereich der Haftpflicht gebe. Eine Verpflichtung sich selbst gegen Gefahren zu versichern, gebe es regelmäßig nicht. Eine isolierte, unmittelbare und nicht abwählbare Elementarschadenpflichtversicherung wäre im deutschen Zivilrecht daher systemfremd.
(c) HiB Nr. 134, 11.03.2024