Deutschlands Weg aus dem Konjunkturtief verlängert sich laut jüngster Prognose des IfW Kiel, erst nach dem Frühjahr zeichnet sich eine moderate Erholung ab. Im Winterhalbjahr dürfte die Wirtschaftsleistung noch schrumpfen und im Gesamtjahr 2024 mit einem Plus von 0,1 Prozent kaum mehr als stagnieren. Damit revidiert das IfW Kiel seine Erwartungen aus der Winterprognose deutlich um 0,8 Prozentpunkte nach unten. Gründe: Privater Konsum und Exporte erholen sich später bzw. weniger dynamisch, zudem zeigen sich die Investitionen äußerst schwach. Für 2025 belässt das IfW Kiel seine Prognose unverändert und sieht den Zuwachs der Wirtschaftsleistung bei 1,2 Prozent. Die Inflationsrate dürfte auf unter 2 Prozent, das Finanzierungsdefizit des Staates auf unter 0,8 Prozent zurückgehen.
„In der deutschen Konjunktur drücken zurzeit eine ganze Reihe von Faktoren auf Stimmung und Wirtschaftsdaten. Die Exportwirtschaft leidet unter einer schwächelnden Weltkonjunktur, die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank wirkt restriktiv und dürfte das auch noch bis ins kommende Jahr hinein tun, und die Sparanstrengungen der Bundesregierung kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt und versprühen zusätzlichen Pessimismus“, sagte Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel, anlässlich der heute erschienenen Konjunkturprognosen.
Deutsche Wirtschaft im Frühjahr 2024: Erholung mit Hindernissen
Weltwirtschaft im Frühjahr 2024: Dynamik bleibt verhalten
Nach einem deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung im Schlussquartal 2023 geht es der Prognose des IfW Kiel zufolge auch im 1. Quartal nochmal minimal abwärts. Erst ab dem Frühjahr dürfte eine moderate Erholung einsetzen. Die Wirtschaftsleistung liegt 2025 aber nur 2 Prozent über dem Niveau, das vor Ausbruch der Corona-Pandemie vor sechs Jahren erreicht wurde.
„Die deutsche Konjunktur fasst zwar im Laufe des Jahres wieder Tritt, große Sprünge sind aber nicht in Sicht. Es mehren sich die Anzeichen, dass vor allem strukturelle Probleme auf der Wirtschaft lasten. Schwachpunkt bleiben die privaten Investitionen, auch weil die Wirtschaftspolitik viel Unsicherheit schürt“, so Stefan Kooths, Konjunkturchef am IfW Kiel.
Zudem schätzt das IfW Kiel die unternehmerische Investitionstätigkeit nunmehr deutlich schwächer ein. Ausrüstungsinvestitionen dürften im laufenden Jahr um 1,3 Prozent zurückgehen. Die Bauinvestitionen stehen weiter unter Druck, der Wohnungsbau schrumpft mit 4 Prozent sogar noch stärker als in den beiden Jahren zuvor. Ab dem nächsten Jahr sind aber wieder kleine Steigerungsraten von rund 1 Prozent in den genannten Bereichen möglich.
Positive Signale: Rückläufige Inflationsrate, robuster Arbeitsmarkt
Der Aufschwung wird maßgeblich getragen durch eine allmählich einsetzende Belebung des privaten Konsums und ein nach und nach anziehendes Auslandsgeschäft. Die jeweiligen Auftriebskräfte – steigende Massenkaufkraft im Inland dank hoher Lohnabschlüsse bei rückläufiger Inflationsrate sowie eine anziehende Auslandsnachfrage – fallen jedoch schwächer aus bzw. setzen später ein als bislang erwartet.
Die Inflationsrate ist rückläufig: Nach 8,2 Prozent im ersten Quartal des Jahres 2023 ist sie im Januar und Februar bereits auf 2,9 bzw. 2,5 Prozent abgesunken. Für das laufende Jahr rechnet das IfW Kiel mit einer Inflationsrate von 2,3 Prozent, für 2025 wird ein weiterer Rückgang auf dann 1,7 Prozent erwartet.
Die real verfügbaren Einkommen legen nach drei rückläufigen Jahren in Folge 2024 und 2025 wieder um rund 1 Prozent zu.
Der Arbeitsmarkt zeigt sich in Anbetracht der schwachen wirtschaftlichen Dynamik robust, die Arbeitslosenquote dürfte bei 5,8 Prozent (2024) und 5,6 Prozent (2025) liegen. Die Zahl der Erwerbstätigen erreicht im laufenden Jahr die Rekordmarke von 46,1 Millionen, bevor sie im Zuge des demografischen Wandels auf einen Abwärtstrend einschwenkt.
Das Finanzierungsdefizit des Staates ist vor allem aufgrund der Konsolidierungsmaßnahmen rückläufig und dürfte von 2,1 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2023 auf 0,8 Prozent im Jahr 2025 zurückgehen.
Nach fünf Quartalen im Rückwärtsgang geht es mit den Exporten ab dem Frühjahr allmählich wieder aufwärts. Aufgrund des schwachen Winterhalbjahrs sinken die Exporte im Durchschnitt des laufenden Jahres aber wohl nochmal deutlich um 1,7 Prozent, für 2025 ist dann ein Zuwachs von 2,8 Prozent zu erwarten.
Die wenig dynamische, aber insgesamt stabile Weltkonjunktur wird wieder etwas stärker von der Industrieproduktion getragen. Damit überwindet der Welthandel seine Schwächephase und stützt über mehr Aufträge die deutsche Industrie.
Der gestörte Schiffsverkehr im Roten Meer dürfte den deutschen Außenhandel hingegen nur kurz beeinträchtigt haben (mehr lesen: Frachtmenge im Roten Meer geht weiter zurück, weniger Schiffe in Hamburg).
Risiko US-Präsidentschaftswahl
Die Weltproduktion steigt laut Prognose nur moderat um 2,8 Prozent (2024) und 3,1 Prozent (2025). Nicht zuletzt Chinas strukturelle Probleme verhindern eine stärkere Entwicklung. Die Wirtschaft dort dürfte im laufenden und kommenden Jahr mit Raten von nur unter 5 Prozent zulegen. Zugpferd ist Indien mit Raten von knapp 7 Prozent.
In den entwickelten Volkswirtschaften läuft die US-Konjunktur am stärksten. 2024 dürfte die Wirtschaftsleistung kräftig um über 2 Prozent steigen, 2025 lässt mit den fiskalischen Impulsen aus dem Wahljahr dann auch die Dynamik etwas nach.
„Die Präsidentschaftswahlen in den USA lasten als gewichtiger Unsicherheitsfaktor auf der Weltkonjunktur und den Aussichten für die deutsche Wirtschaft. Sollte Donald Trump das Rennen machen, drohen neue Handelskonflikte infolge protektionistischer Vorstöße, die Erholung des Welthandels zu beeinträchtigen. Diesen Risiken stehen nur sehr geringe Chancen auf Handelserleichterungen – etwa durch neue Freihandelsabkommen – gegenüber“, so Kooths.
(c) IfW Kiel, 06.03.2024