Die Zunahme von Asylverfahren an den nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten und die von der Politik angestrebte Verkürzung der Verfahrensdauer erfordert eine ausreichende Personalstärke an den Gerichten, erklärt Sebastian Beimesche, Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts, anlässlich der Herausgabe des Jahresberichts. Dieser enthält neben statistischen Daten für das Jahr 2023 auch eine Übersicht wichtiger Verfahren, die im Jahr 2024 zur Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht anstehen.
Die Zahl der Asylverfahren bei den sieben Verwaltungsgerichten in Nordrhein-Westfalen ist im Jahr 2023 erneut gestiegen und liegt mit rund 20.600 neuen Streitfällen im Jahr 2023 erstmals seit 2019 (damals 22.700) wieder über 20.000 (2022: 17.700; 2021: 13.800). Damit ist auch der Anteil der Asylsachen an allen neu eingegangenen Verfahren bei den sieben Verwaltungsgerichten erheblich angewachsen – nämlich auf durchschnittlich rund 40 % aller Verfahren, wobei die Quote am Verwaltungsgericht Köln mit etwa 24 % am niedrigsten und am Verwaltungsgericht Aachen mit rund 56 % am höchsten ist. Die Entwicklung wachsender Eingänge bei den Asylverfahren wird voraussichtlich anhalten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verzeichnet seit 2021 wieder Jahr für Jahr einen deutlichen Anstieg an Asylanträgen auf zuletzt rund 352.000 im Jahr 2023. Zwar lässt sich nicht konkret vorhersagen, wie viele verwaltungsgerichtliche Asylverfahren sich hieraus ergeben werden. Als sicher kann aber gelten, dass mit einer stetig zunehmenden Zahl von Entscheidungen des Bundesamtes über Asylanträge (2020: 145.071, 2021: 149.954, 2022: 228.673, 2023: 261.601) eine erhebliche Zunahme der Klagen und Eilverfahren bei den Verwaltungsgerichten einhergeht.
Vizepräsident Beimesche weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sich am 6. November 2023 auf das Ziel verständigt haben, Gerichtsverfahren für Angehörige von Staaten, für die die Anerkennungsquote weniger als 5 % beträgt, in drei Monaten und in allen anderen Fällen regelhaft nach sechs Monaten abzuschließen. Hierfür sollen die Länder die nötigen personellen Voraussetzungen bei den Verwaltungsgerichten schaffen. „Der Beschluss soll der Erwartung entsprechen, dass diejenigen, die keinen Schutzanspruch haben und ausreisepflichtig sind, Deutschland auch zügig wieder verlassen. Allerdings zeigt die ständige verwaltungsrichterliche Erfahrung, dass dies in sehr vielen Fällen nicht so ist“, so Vizepräsident Sebastian Beimesche. Schon heute treffen die Verwaltungsgerichte asylrechtliche Eilentscheidungen innerhalb kürzester Zeit und auch über die Mehrzahl der Asylklagen (rund 53 %) haben die Verwaltungsgerichte in 2023 binnen Jahresfrist entschieden.
Vizepräsident Beimesche erklärt: „Die von der Politik angestrebte weitere und umfassende Verkürzung der Laufzeiten von Asylverfahren erfordert ausreichendes Personal an den Gerichten, damit nicht die Bearbeitung anderer, für die Beteiligten und oftmals auch für die Allgemeinheit nicht weniger wichtiger Verfahren zurückgestellt werden muss. Es ist daher zu hoffen, dass die Haushaltsgesetzgebung des Landes dem Beschluss vom 6. November 2023 Rechnung trägt, indem auf den in den nächsten drei Jahren an sich vorgesehenen Stellenabbau in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (über 60 Richterstellen und rund 120 Beamten- und Arbeitnehmerstellen) bis auf weiteres verzichtet wird und möglichst weitere Stellen geschaffen werden.“ Selbstverständlich finde in der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch unabhängig davon ein Nachdenken und ein Diskurs darüber statt, ob durch strukturelle und organisatorische Maßnahmen schon mit den vorhandenen Mitteln die Laufzeiten von Asylstreitigkeiten weiter verkürzt werden könnten, ohne hier oder an anderer Stelle Abstriche bei der Qualität des effektiven Rechtsschutzes zu machen. „Der Spielraum hierfür ist allerdings sehr eng“, so Beimesche.
(c) OVG NRW, 04.03.2024