Mit Beschluss vom 26. Februar 2024 hat das Landgericht Hamburg auf Antrag des Juristen Ulrich Vosgerau eine einstweilige Verfügung zu einer allein den Antragsteller betreffenden Passage der Correctiv-Berichterstattung „Geheimplan gegen Deutschland“ vom 10. Januar 2024 erlassen. Die Unterlassungsverfügung bezieht sich auf die Darstellung einer angeblichen Äußerung Vosgeraus auf dem im Artikel behandelten Treffen in Potsdam zu den Erfolgsaussichten massenhaft eingelegter Wahlprüfungsbeschwerden. Keinen Erfolg hat der Antrag Vosgeraus, soweit er darüber hinaus die Wiedergabe eigener Antworten auf eine Correctiv-Anfrage vor der Veröffentlichung und die Schilderung einer Äußerung von ihm während der Veranstaltung in Potsdam zu Briefwahlen angegriffen hat. Alle weiteren Inhalte der Correctiv-Berichterstattung, insbesondere ob, durch wen und in welchem Umfang die in dem Artikel thematisierte „Remigration“ von Menschen mit Migrationshintergrund, die einen Aufenthaltsstatus oder die deutsche Staatsbürgerschaft haben, auf der Veranstaltung in Potsdam diskutiert wurde, sind nicht Gegenstand der Entscheidung. Für keinen der äußerungsrechtlichen Angriffe des Antragstellers kam es darauf an.
Nach der heute bekanntgegebenen Entscheidung hat Correctiv den Antragsteller falsch wiedergegeben, wenn es in dem Artikel vom 10. Januar 2024 heißt, Vosgerau halte den Vorschlag, „man könne vor den kommenden Wahlen ein Musterschreiben entwickeln, um die Rechtmäßigkeit von Wahlen in Zweifel zu ziehen, für denkbar: Je mehr mitmachten, stimmt er zu, umso höher die Erfolgswahrscheinlichkeit.“ Nach Auffassung der Kammer ist diese Passage dahingehend zu verstehen, der Antragsteller habe sich jedenfalls sinngemäß so geäußert, die Wahrscheinlichkeit, dass Wahlprüfungsbeschwerden Erfolg hätten, sei umso größer, je mehr Beschwerden eingelegt würden. Mit seinem Antrag hat Vosgerau geltend gemacht, ein massenhaftes Vorgehen gerade nicht befürwortet und darauf hingewiesen zu haben, der Erfolg einer Wahlprüfungsbeschwerde hänge nicht davon ab, wie oft sie eingereicht werde, sondern davon, wie gut sie begründet sei. Infolge dessen war es an der Antragsgegnerin, im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens die Richtigkeit des Zitats darzulegen und glaubhaft zu machen. Zum genauen Inhalt der diesbezüglichen Äußerungen Vosgeraus hat sie nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht konkret vorgetragen. Das Gericht hatte deshalb von der Unrichtigkeit des Zitats auszugehen, so dass dem Antragsteller insoweit ein Unterlassungsanspruch zusteht.
Keinen Erfolg hat der Antrag Vosgeraus, soweit er die Wiedergabe seiner Antworten auf eine Correctiv-Anfrage beanstandet hat, mit der ihn die Redaktion vor der Veröffentlichung des Artikels angehört hatte. Die im Artikel verwendete Formulierung „an die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er sich aber nicht erinnern können“, erwecke kein falsches Verständnis, wie und auf welche Frage der Antragssteller sich in Reaktion auf die Anhörung geäußert habe. Correctiv habe ihm die Frage gestellt, wie er im Nachhinein zu der auf der Versammlung getroffenen Aussage stehe, bei der es um eine „Remigration“ von Menschen mit Migrationshintergrund gegangen sei, die einen Aufenthaltsstatus oder die deutsche Staatsbürgerschaft hätten. Seine Antwort, dass nach seiner Erinnerung von niemandem gesagt worden sei, es sollten Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, irgendwie repatriiert oder ausgebürgert werden, sei im Artikel – bezogen auf Äußerungen im Vortrag von Herrn Sellner – zutreffend wiedergegeben worden. Dass Vosgerau weitergehende Ausführungen in seiner Antwort gemacht habe und diese nicht erwähnt worden seien, berühre die Richtigkeit der Wiedergabe mit der konkret angegriffenen Formulierung nicht.
Einen Unterlassungsanspruch hat das Gericht auch hinsichtlich der Darstellung verneint, dass der Antragsteller auf der Veranstaltung in Potsdam über Briefwahlen und im Zusammenhang damit über „Bedenken in Bezug auf junge Wählerinnen türkischer Herkunft, die sich keine unabhängige Meinung bilden könnten,“ gesprochen habe. Erkennbar handele es sich nicht um eine wörtliche Wiedergabe, sondern um Formulierungen, mit denen der Inhalt des Vortrags des Antragstellers wertend zusammengefasst worden sei. Auch der im Text folgende Zusatz „Auf CORRECTIV-Fragen hin bestätigt er diesen Satz später“ führe beim Leser nicht zu der Annahme, der Antragsteller habe die Verwendung einer bestimmten Formulierung bestätigt. Die Antwort Vosgeraus gegenüber Correctiv, er habe „wohl eher am Rande und in einem Nebensatz möglicherweise sinngemäß darauf hingewiesen, dass eine Jungwählerin türkischer Herkunft (…) die zu Hause in der Küche unter Aufsicht ihres Vaters und mehrerer Brüder ihren Wahlzettel ankreuzt, dabei möglicherweise und in bestimmten Einzelfällen faktisch nicht denjenigen Freiheitsgrad genießt, den die Verfassung beim Wahlakt eigentlich voraussetzt,“ habe die Antragsgegnerin in zulässiger Weise zusammengefasst. Dem Antragsteller werde in dem Artikel nicht unterstellt, er habe hinsichtlich aller Jungwählerinnen türkischer Herkunft Bedenken in Bezug auf die Briefwahl geäußert, da sich diese generell keine unabhängige Meinung bilden könnten.
Soweit die einstweilige Verfügung erlassen wurde, kann die Antragsgegnerin gegen die Entscheidung Widerspruch einlegen mit der Folge, dass das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung von Neuem zu entscheiden hätte. Soweit der Antrag erfolgslos geblieben ist, steht dem Antragsteller das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu, über die das Hanseatische Oberlandesgericht zu entscheiden hätte.
In dem Verfügungsverfahren eines anderen Antragstellers (324 O 53/24) im Zusammenhang mit der Correctiv-Berichterstattung gibt es noch keine Entscheidung.
(c) OLG Hamburg, 27.02.2024