Der Kreis Lippe muss über einen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag zur Errichtung und zum Betrieb von 13 Windenergieanlagen im Umfeld des Truppenübungsplatzes „Senne“ für sieben Anlagen neu entscheiden. Insofern ist seine bisherige Ablehnung rechtswidrig, während sie für die übrigen sechs Anlagen nicht zu beanstanden ist. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute nach mündlicher Verhandlung entschieden.
Die Klägerin begehrte ursprünglich die Erteilung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb von 13 Windenergieanlagen auf der sogenannten Gauseköte im Kreis Lippe auf den Gebieten der Städte Detmold und Horn-Bad Meinberg sowie der Gemeinde Schlangen. Die geplanten Anlagenstandorte befinden sich im Umkreis des den britischen Streitkräften überlassenen Truppenübungsplatzes „Senne“, davon sechs innerhalb des Luftbeschränkungsbereichs ED-R 112A, der über dem Truppenübungsplatz eingerichtet ist und über dessen östliche Grenzen ca. 2 km hinausgeht. Die im Genehmigungsverfahren beteiligte Bundeswehr (Beigeladene zu 1.) wandte nach einer ursprünglich positiven Stellungnahme nach Rücksprache mit dem britischen Strategic Command ein, dass sich die vorgesehenen Standorte innerhalb von insbesondere für Militärhubschrauber wichtigen Flugbeschränkungsgebieten und innerhalb eines zwingenden Ausflugkorridors von Militärflugzeugen befänden. Damit bestehe ein nicht hinnehmbares Risiko für die Sicherheit des (militärischen) Luftverkehrs. Die hierfür als Luftaufsichtsbehörde in NRW zuständige Bezirksregierung Münster (Beigeladene zu 2.) verweigerte daraufhin die für die Genehmigungserteilung notwendige Zustimmung.
Gegen die hierauf gestützte Ablehnungsentscheidung des Kreises Lippe wandte die Klägerin vor allem ein, die Verweigerung der luftverkehrsrechtlichen Zustimmung sei nicht fristgerecht erfolgt, so dass die Genehmigung als (fiktiv) erteilt zu gelten habe. Eine relevante Nutzung des Truppenübungsplatzes für die als gefährdet angesehenen Flugmanöver gebe es seit langem nicht mehr, sie sei jedenfalls nicht genehmigt und deshalb rechtswidrig. Kurz vor der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihre ursprünglich auf die Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigungserteilung gerichtete Klage darauf beschränkt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts und Aufhebung der Ablehnungsentscheidung erneut über ihren Genehmigungsantrag zu entscheiden.
Diesem Antrag hat der 22. Senat teilweise stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die konkrete Gefährdung des militärischen Luftverkehrs, die für die Verweigerung der luftverkehrsrechtlichen Zustimmung und die Annahme dem Vorhaben entgegenstehender verteidigungspolitischer Belange gleichermaßen erforderlich ist, lässt sich unter Berücksichtigung des den militärischen Dienststellen zukommenden verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraums nur für die sechs Anlagen feststellen, die innerhalb des Flugbeschränkungsbereichs errichtet werden sollen. Dieser dient dazu, die zulässigen Aktivitäten auf dem Truppenübungsplatz, zu denen nach den nachvollziehbaren Erläuterungen insbesondere der britischen Streitkräfte von jeher jedenfalls Übungen mit (tieffliegenden) Hubschraubern gehören, im Luftraum abzusichern. Insofern haben die britische Armee und das britische Außen- und Verteidigungsministerium hinreichend deutlich gemacht, dass ein von Hindernissen wie Windenergieanlagen freier und unbeschränkter Luftraum unabdingbar ist. Dahinter müssen die klimapolitischen Ziele, die der Gesetzgeber als den verteidigungspolitischen Interessen gleichwertig definiert hat, im konkreten Einzelfall zurücktreten.
Demgegenüber ist eine relevante Gefährdung durch die außerhalb des Luftbeschränkungsbereichs geplanten Anlagen nicht hinreichend plausibel gemacht worden. Aus den teils widersprüchlichen Angaben der beteiligten militärischen Stellen und den im Zusammenhang mit der Nutzung des Truppenübungsplatzes für den Senat verfügbaren Quellen ergibt sich bereits nicht, dass der von der Bundeswehr angeführte militärische Tiefflugkorridor zum Ausflug von bei Manövern eingesetzten Kampfjets so noch als schützenswerter Belang existiert bzw. genutzt wird. Jedenfalls ist aber vor dem Hintergrund der örtlichen Verhältnisse und der Eigenart der allenfalls betroffenen Übungen nicht plausibel, dass die Kampfjets im Bereich dieser Anlagenstandorte noch so tief fliegen (müssen), dass sie die Windenergieanlagen nicht gefahrlos überqueren können. Dass es Manöver geben mag, bei denen dies nicht auszuschließen sein könnte, begründete in Anbetracht der im Tatsächlichen zugrunde zu legenden Szenarien allenfalls eine nicht ausreichende hypothetische Gefahr. Zudem ist allgemein davon auszugehen, dass der mit Blick auf den Truppenübungsplatz eingerichtete Flugbeschränkungsbereich so bemessen ist, dass er zur Gefahrenabwehr ausreicht.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen können die Beteiligten Nichtzulassungsbeschwerde erheben, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 22 D 150/22.AK
(c) OVG NRW; 16.02.2024