Heute (6. Februar) ist Safer Internet Day – ein weltweiter Aktionstag für mehr Online-Sicherheit. Die in Bamberg angesiedelte Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) zieht zu diesem Anlass eine Erfolgsbilanz. Allein im vergangenen Jahr erfasste sie mehr als 18.000 Verfahren. Die Ermittlerinnen und Ermittler sind täglich im Einsatz, um u. a. im Bereich der organisierten Cyberkriminalität und beim Handel mit Waffen, Drogen und Kinderpornografie in der digitalen Welt Täter aufzuspüren und vor Gericht zu bringen. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: „Kriminelle operieren immer stärker im digitalen Raum. Sie dringen in neue Bereiche ein, um Daten und Geld zu erbeuten oder illegale Waren zu handeln. Daher ermittelt auch die Justiz verstärkt am Tatort Internet.“ Die ZCB hat eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Cybercrime eingenommen. Eisenreich: „Sie hat allein im vergangenen Jahr 18.433 Verfahren eingeleitet, insgesamt seit der Gründung vor neun Jahren mehr als 82.000 Verfahren.“ Im Jahr 2023 ist es der ZCB gelungen, bundesweit die erste relevante Verurteilung wegen Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet zu erreichen – ein Straftatbestand, den Minister Eisenreich immer gefordert und den Bayern wesentlich mitgeprägt hat.
„Straftaten unter Nutzung des Tatmittel Internets“ sind laut Bundeskriminalamt zwischen 2015 und 2022 um 62 % deutlich angestiegen, die Verbreitung pornografischer Inhalte im Internet im gleichen Zeitraum um fast 600 %. Eisenreich: „Es war wichtig, dass wir in Bayern die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt und bereits im Jahr 2015 effiziente Strukturen für eine zeitgemäße Strafverfolgung geschaffen haben. Die Kriminalität verlagert sich mehr und mehr ins Internet. Deshalb haben wir auch kontinuierlich Personal aufgestockt.“ Die ZCB startete 2015 mit zwei Staatsanwälten. Heute besteht das Team unter der Leitung des Leitenden Oberstaatsanwalts Lukas Knorr aus 25 Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, die mit dem Know-how von vier IT-Forensik-Expertinnen und Experten unterstützt werden.
Schwerpunkte und Erfolge der ZCB im Jahr 2023:
- Kampf gegen Kinderpornografie. Innerhalb der ZCB hat Justizminister Eisenreich im Jahr 2020 das „Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet“ (ZKI) gegründet. Die Arbeit von neun Staatsanwältinnen und Staatsanwälten des ZKI führte allein im Jahr 2023 zu 8.146 erfassten Verfahren – mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2021 (3.687 Verfahren). Eisenreich:“Die Tendenz ist weiter steigend. Aber: Wer Kinder sexuell missbraucht, kann sich in Bayern niemals sicher fühlen.“
- Nach Hinweisen aus den USA gelang es dem ZKI im Jahr 2023, einen bayerischen Jugendtrainer vor Gericht zu bringen, der neun Kinder und Jugendliche missbraucht hat. Das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Traunstein im Dezember 2023: vier Jahre Freiheitsstrafe.
- Gesteigerter Verfolgungsdruck im Darknet: Gemeinsam mit dem Bayerischen Landeskriminalamt ermittelte das ZKI gegen drei international agierende kinderpornografische TOR-Plattformen („The Annex“, „TorpedoChat“ und „TorpedoChatDE“) mit insgesamt mehr als 5.000 Nutzern. Der Hauptadministrator wurde Ende 2022 in den USA festgenommen. Mehr als 30 Beschuldigte konnten identifiziert werden. Die Plattformen wurden abgeschaltet und mehr als 300.000 Links zu kinderpornografischen Inhalten gelöscht.
- Kampf gegen Cyber-Drogenhandel auf Darknet-Handelsplattform. Nicht erst seit der Pandemie hat sich Drogenhandel ins Internet verlagert. Der ZCB ist es gelungen, die bundesweit erste relevante Verurteilung u. a. wegen Betreibens einer kriminellen Handelsplattform im Internet zu erreichen. Ein Informatik-Student aus Niederbayern, Betreiber von „Deutschland im Deep Web 3“, wurde nach Anklage der ZCB von der für ganz Bayern zuständigen Cyberstrafkammer am Landgericht Bamberg zu vier Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Sein Portal galt als eine der größten Darknet-Handelsplattformen Deutschlands. Auf der Plattform wurde u. a. digital mit Ketamin, LSD und Ecstasy gedealt.
- Das Betrugsphänomen Fake-Shops. Sie locken im Internet mit Schnäppchenpreisen, liefern die bezahlte Ware aber nie aus. Eine der beiden ZCB-Arbeitsgruppen Wirtschaftscybercrime – bestehend aus fünf Staatsanwältinnen und Staatsanwälten – ermittelt auch erfolgreich gegen Betreiber von Fake-Shops.
- Anfang November 2023 wurde Anklage gegen zwei mutmaßliche Betreiber von Solarmodul-Fake-Shops erhoben, die mehr als 400.000 Euro erbeutet haben sollen.
- Innovative Ermittlungswerkzeuge: Im April 2023 schloss Bayern eine Kooperation mit Spitzenforschern aus Wien. Eisenreich: „Mit der Zusammenarbeit wollen wir einen erfolgreichen Fake-Shop Detector mit Blick auf die besonderen Anforderungen der ZCB zu einem Ermittlungswerkzeug weiterentwickeln.“
- Betrug mit virtuellen Debitkarten. Online-Betrüger haben zunehmend junge Menschen im Visier. Eine Methode ist der Betrug mit virtuellen Debitkarten. Mit Phishing-Mails und Anrufen falscher Bankmitarbeiter sollen die mutmaßlichen Täter Kontodaten erbeutet haben, mit denen sie virtuelle Debitkarten erstellten und u. a. bundesweit Mobiltelefone und Gutscheine kauften. Gesamtschaden: etwa 1,5 Millionen Euro bei 245 Geschädigten. Nach umfangreichen Ermittlungen der ZCB sind nun drei Beschuldigte bei der Cyberstrafkammer in Bamberg angeklagt. Gegen weitere sieben Beschuldigte dauern die Ermittlungen noch an.
- Illegale Billig-Abos für Bezahlfernsehen. Relativ neu ist das Phänomen IPTV (Internet Protocol Television). Dabei handelt es sich um die Übertragung von Pay-TV über das Internet. Kriminelle versuchen immer wieder, die Sendesignale zu kopieren und illegal eigenen Kunden zur Verfügung zu stellen. Der ZCB ist es gelungen, zwei Anbieter dieses illegalen IPTV vor dem Landgericht Würzburg anzuklagen. Sie sollen über einen mindestens vierstelligen Kundenkreis verfügt haben. Strafschärfend könnte sich auswirken: Das Angebot enthielt Sender, deren Verbreitung in Deutschland aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine verboten ist. Folglich steht auch ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz im Raum.
Minister Eisenreich: „Die Arbeit der ZCB ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in rechtlicher und technischer Hinsicht sehr fordernd. Im Bereich Kinderpornografie kommt noch der belastende Umgang mit unerträglichen Missbrauchsdarstellungen dazu. Ich möchte den Ermittlerinnen und Ermittlern von Herzen für Ihren großen persönlichen Einsatz für die Sicherheit Bayerns danken.“ Eisenreich appelliert erneut an die Bundesregierung, den Strafverfolgern die notwendigen gesetzlichen Ermittlungswerkzeuge zur Verfügung zu stellen: „Das gilt vor allem für die Wiederbelebung der Verkehrsdatenspeicherung. Bei schweren Straftaten wie dem sexuellen Missbrauch von Kindern werden den Ermittlerinnen und Ermittlern unnötig Steine in den Weg gelegt. Die verpflichtende, zeitlich befristete Speicherung von IP-Adressen wird dringend benötigt, um die Täter identifizieren zu können. Auch bei der Verfolgung anderer schwerer und schwerster Straftaten, wie z.B. Terrorismus oder organisiertem Drogen- und Waffenhandel können IP-Adressen eine wichtige oder gar die einzige Spur sein.“
(c) StMJ, 06.02.2024