Innenstaatssekretär Christian Seel stellte am Mittwoch, 23. März 2022, gemeinsam mit der Landespolizeivizepräsidentin Natalie Grandjean und dem ständigen Vertreter der Direktion LPP 2 Kriminalitätsbekämpfung/LKA, Kriminaldirektor Michael Klein, die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das vergangene Jahr 2021 vor.
Die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung haben im Saarland die Kriminalitätsentwicklung erneut beeinflusst: Insgesamt registrierte die Polizei im Saarland 58.651 Straftaten (2020: 68.400 Straftaten; 2019: 74.720 Straftaten; 2018: 70.873 Straftaten).
Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem deutlichen Rückgang von 14,3 % (9.749 Fälle) und stellt den niedrigsten Wert der Dekade dar. Gleichzeitig verbesserte sich die Aufklärungsquote um 1,5 Prozentpunkte auf 59,3 % (2020: 57,8 %).
Innenstaatssekretär Christian Seel: „Damit liegt die Aufklärungsquote erstmals seit fünf Jahren über dem Bundesdurchschnitt. Besonders erfreulich ist auch, dass das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden im Saarland ebenfalls erstmals seit fünf Jahren unter dem Bundesdurchschnitt liegt.“
Bei den Straftaten gegen das Leben wurde ein leichter Fallzahlenrückgang auf 43 Delikte (-1 Delikt/-2,3 %) verzeichnet, davon blieben 23 Delikte im Versuchsstadium (Versuchsanteil: 53,5%).
Ursächlich für die nach wie vor hohe Zahl ist zum einen eine geänderte Einstufung der Staatsanwaltschaft im Deliktsbereich der besonders schwereren Brandstiftung als versuchte Tötungsdelikte, zum anderen flossen im Berichtsjahr insgesamt acht Delikte in die Statistik ein, bei denen sich die Ermittlungen gegen einen Krankenpfleger richteten, der mindestens zehn intensivmedizinische Patienten durch eine nicht indizierte Medikamentengabe in einen reanimationspflichtigen Zustand versetzte, um sich sodann als „Retter“ hervorzutun. Die Personen konnten nicht mehr reanimiert werden und verstarben.
Bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung registrierte die Polizei im Saarland eine Steigerung von +12,8 % (+113 Delikte) auf 996 Delikte. Insbesondere im Deliktsbereich der Verbreitung pornografischer Schriften/Erzeugnisse (§§ 184, 184a, 184b, 184c, 184d, 184e StGB) um +62,7 % (+185 Delikte) hier vornehmlich bei der Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornografischer Schriften § 184b StGB um +83,3 % (+160 Delikte).
Ursächlich hierfür sind im Besonderen die Änderung eines US-amerikanischen Bundesgesetzes, wonach US-amerikanische Provider verpflichtet sind, dort bekannt gewordene strafrechtlich relevante Sachverhalte an die halbstaatliche („non-profit“) Organisation „National Center For Missing and Exploited Children“, kurz NCMEC, weiterzuleiten. Das NCMEC nimmt darüber hinaus auch Hinweise von Privatpersonen im Zusammenhang mit Straftaten gegen Kinder entgegen. Alle beim NCMEC eingehenden Hinweise werden dort gesichtet und münden in standardisierten Berichten (CyberTipline Reports), die an die für die weiteren Ermittlungen zuständigen Behörden in den USA und im Ausland, also auch nach Deutschland, weitergeleitet werden.
Als herausragendes Tatmittel kommt in diesem Deliktsbereich das Internet zum Tragen. Zählte das Landespolizeipräsidium im Jahr 2020 hier 322 Fälle im Deliktsbereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit Tatmittel Internet (36,5 % Anteil an der Gesamtzahl der 883 Fälle), so sind es im aktuellen Berichtsjahr 462 Fälle (46,5 % Anteil an der Gesamtzahl 996 Fälle). Insbesondere bei der Verbreitung pornografischer Schriften spielt das Tatmittel Internet in 90 % der Fälle, also in 427 der 480 Fälle, die dominierende Rolle (2020: 270 von 295 Fälle, 91,5 %).
Bei den Rohheitsdelikten und den Straftaten gegen die persönliche Freiheit beobachtete das Landespolizeipräsidium einen Rückgang um 5,2 % (-555 Delikte) auf 10.106 Delikte, hier vornehmlich bei den Körperverletzungen von 7.256 auf 6.311 Delikte (-13,0 %). Sowohl die Schließung von Gaststätten und Diskotheken in den Innenstädten als auch das Wegbrechen anderer Freizeitangebote (z. B. Kirmes, Fußballgroßveranstaltungen, Straßenfeste) aufgrund der Corona-Pandemie sind als mitursächlich anzusehen.
Eine rückläufige Fallzahlenentwicklung um 21,2 % auf 16.414 Delikte (2020: 20.842 Delikte) zeigte sich auch bei den Diebstählen. Als Erklärungsansatz könnten auch hier die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ergriffenen Maßnahmen dienen. Aus diesen resultierten fehlende Tatgelegenheiten, z.B. in Folge geschlossener Geschäfte, Gaststätten, Hotels und Freizeiteinrichtungen.
Auch im Deliktsbereich des Wohnungseinbruchdiebstahls gingen die Fallzahlen um 23,9 % auf 1.044 Delikte (2020: 1.371 Delikte) zurück. Eine mangelnde Tatgelegenheit, verbunden mit einem erhöhten Entdeckungsrisiko infolge von Homeoffice, dürften zum Rückgang der Fallzahlen beigetragen haben. Der Versuchsanteil stieg gegenüber dem Vorjahr um 2,3 Prozentpunkte auf 47,2 % (551 vollendete und 493 versuchte Delikte).
Im Phänomenbereich der Straftaten zum Nachteil älterer Menschen zählte das Landespolizeipräsidium insgesamt 1.386 Fälle (2020: 1.271 Fälle). Nur bezogen auf den Modus Operandi Enkeltrick/ Schockanruf/ Gewinnversprechen sind 761 Fälle zu verzeichnen (2020: 585 Fälle). Das seit dem 1. Januar 2020 in der PKS erfasste Phänomen des falschen Amtsträgers („falscher Polizeibeamter“) weist im Berichtsjahr 625 Fälle auf (2020: 686 Fälle).
Die vom LPP initiierten Präventionsmaßnahmen und die umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit zeigen positive Wirkungen. So blieb es in 94,2 % der Fälle (2020: 96,0 %) bei einem Versuch. Lediglich 81 Taten wurden 2021 vollendet. Der entstandene Schaden halbierte sich nahezu gegenüber zum Vorjahr von 981.659 Euro auf 522.816 Euro.
Im Deliktsbereich des Widerstandes gegen und des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamtinnen und -beamte und gleichstehende Personen ließ sich ein Fallzahlenanstieg auf 432 Delikte verzeichnen (+23 Delikte/+5,6 %).
Landespolizeivizepräsidentin Natalie Grandjean: „Obwohl wir auch hier einen deutlichen Zusammenhang zur Coronaentwicklung vermuten, ist das Thema Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte immer noch ein wichtiges Thema, wenn man bedenkt, dass jeden Tag mehr als ein solches Delikt begangen wird.“
Innenminister Klaus Bouillon setzt sich seit langem für härtere Strafen in diesem Bereich ein. „Im Rahmen der Innenministerkonferenz der B-Länder haben wir wiederholt gefordert, Gewalttaten gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst strenger und schärfer zu bestrafen. Der Anstieg der Fallzahlen ist nun ein Beleg dafür, dass endlich dringend etwas für den besseren Schutz unserer Einsatzkräfte getan werden muss!“, so der Minister.
Ein merklicher Fallzahlenrückgang konnte im Deliktsbereich der Rauschgiftkriminalität um 17,9 % auf 3.070 Delikte (-669 Delikte) konstatiert werden. Sowohl bei den allgemeinen Verstößen gemäß § 29 BtMG mit 2.367 Delikten (-549 Delikte/-18,8 %) als auch beim unerlaubten Handel mit und Schmuggel von Rauschgiften gemäß § 29 BtMG mit 362 Delikten (-48 Delikte/-11,7 %) konnten Fallzahlenrückgänge registriert werden.
Hier gilt: Die Fallzahlen der Rauschgiftkriminalität werden zum großen Teil durch die Kontrollintensität der Polizei beeinflusst (z.B. bei Kontrollen in der Innenstadt von Saarbrücken).
Kriminaldirektor Michael Klein: „In diesem Zusammenhang möchte ich für eine neue Dimension in der Verbrechensbekämpfung, insbesondere beim Waffen- und Betäubungsmittelhandel, sensibilisieren, die uns in Zukunft weiterhin beschäftigen wird: es handelt sich um den Bereich der kryptierten Tätertelefonie. Diese verschlüsselte Kommunikation wird durch Täter ‚hemmungslos‘ genutzt, um Kriminalität tatsächlich zu ‚organisieren‘, beispielweise um Angebote zu versenden, Treffpunkte zu vereinbaren oder Bilddateien zu übersenden.“
Ein Fallzahlrückgang auf 485 Delikte (-204 Delikte/-29,6 %) wurde auch im Phänomenbereich der Wirtschaftskriminalität verzeichnet. Die größten Fallzahlenrückgänge zeigen sich hier im Deliktsbereich der Insolvenzstraftaten gemäß StGB und Nebenstrafrecht (Insolvenzstraftaten, Insolvenzverschleppung) auf 107 Delikte (-52 Delikte/-32,7 %) und der Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, Delikte im Zusammenhang mit Schwarzarbeitbekämpfungsgesetz und Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) auf 116 Delikte (-50 Delikte/-30,1 %).
Anzumerken ist, dass die Fallzahlenentwicklung im Bereich der Wirtschaftskriminalität nicht konstant, sondern abhängig vom Abschluss laufender Großverfahren ist.
Bei der Verwendung des Tatmittels Internet zeigte sich eine leicht rückläufige Fallzahlenentwicklung auf 4.501 Delikte (-100 Delikte/-2,2 %). Die Ursache für diese rückläufige Entwicklung liegt im Deliktsbereich der Vermögens- und Fälschungsdelikte begründet, da hier ein Fallzahlenrückgang auf 3.043 Delikte (-434 Delikte/-12,5 %) vermerkt werden konnte.
Anstiege bei der Verwendung des Tatmittel Internets konnten hingegen im Deliktsbereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung auf 462 Delikte (+140 Delikte/+43,5 %) und im Deliktsbereich der Straftaten gegen die persönliche Freiheit auf 216 Delikte (+74 Delikte/+52,1) registriert werden.
Im Phänomenbereich der Häuslichen Gewalt zeigte sich bei den polizeilich bekannt gewordenen Fällen, entgegen der durch die Corona-Pandemie bedingten Erwartung, bisher kein Anstieg, sondern ein rückläufiges Fallzahlenaufkommen mit 2.566 Delikten (-173 Delikte/-6,3 %). Bei den Straftaten im Bereich Häuslicher Gewalt ist allerdings von einem hohen Dunkelfeld auszugehen. Noch immer werden ca. 85 % der Straftaten in diesem Bereich nicht oder erst Monate oder Jahre nach dem eigentlichen Vorfall angezeigt.
Für den Phänomenbereich der politisch motivierten Straftaten (PMK) wurde eine steigende Fallzahlenentwicklung auf 455 Delikte (+74 Delikte/+19,4 %) festgestellt. Dieser Anstieg ist lediglich auf eine Steigerung im Phänomenbereich „PMK-nicht zu-zuordnen“ von 72 auf 205 Delikte (+133 Delikte/+184,7 %) zurückzuführen. Alle anderen Phänomenbereiche weisen eine rückläufige Fallzahlenentwicklung auf. Der merkliche Fallzahlenanstieg im Phänomenbereich der „PKM-nicht zuzuordnen“ resultiert mitunter aus der im Berichtsjahr stattgefundenen Bundestagswahlen und Protesten gegenüber der Corona-Politik.
Die Straftaten im Phänomenbereich „PMK-rechts“ bilden mit 49,2 % der Fallzahlen erneut den größten Anteil der PMK ab. Hier kann mit 224 registrierten Delikten eine rückläufige Fallentwicklung verzeichnet werden
(-42 Delikte/-15,8%). Den Schwerpunkt bilden hier die Propagandadelikte gem. § 86a StGB, die meist durch unbekannte Täter begangen wurden. Neben den Propagandadelikten bilden die Delikte im Themenfeld „Hasskriminalität“ den zweiten Schwerpunkt. Während die Anzahl der Propagandadelikte im Berichtsjahr fiel, kann für den Bereich der „Hasskriminalität“ ein gleichbleibend hohes Niveau verzeichnet werden.
Anstiege bei den registrierten Delikten im Phänomenbereich „PMK-rechts“ mussten bei den antisemitischen Straftaten von 20 auf 38 Fälle konstatiert werden (+18 Delikte/+90,0 %).
Die Nutzung der Onlinewache hat 2021 einen deutlichen Zuwachs erfahren. Es wurden 9.539 Onlineanzeigen registriert, was einer Steigerung um +2.090 Anzeigen bzw. +28,1 % entspricht (2020: 7.449 Onlineanzeigen). Vor allem bei den Vermögens- und Fälschungsdelikten sowie den Betrugsstraftaten (ca. 43 % der Onlineanzeigen) wurde der Weg der digitalen Anzeigenerstattung intensiv genutzt. Auch bei Eigentumsdelikten (Anteil der Onlineanzeigen ca. 9,4 %) und Sachbeschädigungen (Anteil der Onlineanzeigen ca. 10,0 % Prozent) wurde die Onlinewache verstärkt in Anspruch genommen.
Landespolizeivizepräsidentin Natalie Grandjean: „Wenngleich wir im Berichtsjahr eine rückläufige Fallzahlenentwicklung haben, muss ich dringend darauf aufmerksam machen, dass wir neuen Dimensionen in der Verbrechensbekämpfung entgegenblicken. Insbesondere im Deliktsbereich der Kinderpornografie, der digitalen Hasskriminalität aber auch im Phänomenbereich der Organisierten Kriminalität, hier vornehmlich beim Waffen- und Betäubungsmittelhandel, prognostizieren wir Fallzahlenanstiege. Hier müssen wir uns personell und materiell richtig aufstellen, um auch in Zukunft eine professionelle Verbrechensbekämpfung gewährleisten zu können.“
Innenminister Klaus Bouillon: „Wir sind auf einem guten Weg, aus meiner Sicht haben wir durch die Sicherheitspakete eine Trendwende eingeleitet. Aber wir müssen auf diesem Weg weitermachen, durch 150 Neueinstellungen pro Jahr, mehr Tarifpersonal und Verbesserungen im Stellenplan für das Bestandspersonal. Nur so werden wir die Bewältigung der Herausforderungen der nächsten Jahre für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gewährleisten können.“
„Die Weichen für die Sicherheit in diesem Land müssen jetzt gestellt werden. Es ist und war mir immer ein sehr großes Anliegen, alles in unserer Macht Stehende zu veranlassen, um mit passender Ausstattung und qualifiziertem Personal, Sicherheit für die Saarländerinnen und Saarländer zu gewährleisten“, so der Minister abschließend.
Quelle: Ministerium für Inneres, Bauen und Sport des Saarlandes, Pressemitteilung vom 23. März 2022