Der unter anderem für das Erbbaurecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Gemeinde, die als Grundstückseigentümerin mit einem Privaten in einem Erbbaurechtsvertrag den Ausschluss der Vergütung für das Erbbaurecht beim Heimfall vereinbart, allein hierdurch nicht gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verstößt. Allerdings unterliegt die Geltendmachung des Anspruchs auf vergütungslose Rückübertragung des Erbbaurechts einer strengen Ausübungskontrolle im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des gemeindlichen Handelns.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Stadt in Baden-Württemberg, der Beklagte ein gemeinnütziger Verein, dessen Zweck darin besteht, Menschen islamischen Glaubens soziale, kulturelle und religiöse Dienste anzubieten. Um ihren muslimischen Bürgern die Ausübung ihres Glaubens in einer Moschee ermöglichen, vereinbarte die Klägerin mit dem Beklagten, dass dieser ein Grundstück der Klägerin in einem ersten Bauabschnitt mit einer Moschee und einem Kulturhaus bebauen sollte. Die Parteien schlossen am 26. November 2014 eine insgesamt als Erbbaurechtsvertrag bezeichnete notarielle Vereinbarung, mit der die Klägerin dem Beklagten für die Dauer von 60 Jahren und einer Verlängerungsmöglichkeit von weiteren 30 Jahren ein Erbbaurecht an ihrem Grundstück einräumte. Es wurde ein gestaffelter Erbbauzins vereinbart von anfänglich 35.336 € jährlich ab dem 1. Juli 2017. Der Beklagte verpflichtete sich, den ersten Bauabschnitt innerhalb von vier Jahren ab dem 1. November 2014 fertigzustellen. Anderenfalls sollte die Klägerin berechtigt sein, die Rückübertragung des Erbbaurechts zu verlangen (Heimfall). Eine Vergütung für das Erbbaurecht wurde für diesen Fall vertraglich ausgeschlossen, und der Beklagte sollte auf Verlangen der Klägerin verpflichtet sein, die Moschee und das Kulturhaus auf eigene Kosten zu beseitigen. In dem Vertrag unterbreitete die Klägerin dem Beklagten ein Kaufangebot für das Grundstück, das mit einer gleichlautenden Bauverpflichtung verknüpft war. Insoweit behielt sich die Klägerin für den Fall der Nichterfüllung ein Wiederkaufsrecht vor. Das Erbbaurecht wurde in das Erbbaugrundbuch eingetragen. Die Baugenehmigung wurde erteilt, Baubeginn und Bauausführung verzögerten sich jedoch. Im Juli 2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er die Frist für die Fertigstellung des ersten Bauabschnitts nicht werde einhalten können. Im August 2018 nahm er das Kaufangebot für das Grundstück an und zahlte den vereinbarten Kaufpreis. Der erste Bauabschnitt war bis Ende Oktober 2018 nicht fertiggestellt. Im Dezember 2018 machte die Klägerin den Heimfallanspruch geltend und übte das Wiederkaufsrecht aus.
Bisheriger Prozessverlauf:
Mit der Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Rückübertragung des Erbbaurechts, hilfsweise dessen Aufhebung, ferner die Versicherung der Moschee gegen Brand- und Elementarschäden und die Zahlung von Erbbauzinsen in Höhe von 110.425 € für den Zeitraum 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2021. Der Beklagte nimmt die Klägerin widerklagend auf Übereignung des Grundstücks in Anspruch; daneben begehrt er die Feststellung, dass er nicht zur Zahlung von Erbbauzinsen verpflichtet ist, die Ausübung des Wiederkaufsrechts rechtswidrig und unwirksam ist und die Klägerin ihm den durch die Ausübung des Heimfallanspruchs und Wiederkaufsrechts entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen hat. Das Landgericht hat der Klage nur in Bezug auf die Rückübertragung des Erbbaurechts und die Zahlung von 110.425 € und der Widerklage nur in Bezug auf die Feststellung stattgegeben, dass der Beklagte nicht zur Zahlung von Erbbauzinsen verpflichtet ist; im Übrigen hat es Klage und Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten darüber hinaus zur Versicherung der Moschee verurteilt und die Widerklage insgesamt abgewiesen; die Berufung des Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag und seine Widerklageanträge weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht nimmt im Ergebnis zutreffend an, dass die Klägerin gegen den Beklagten einen auf Übertragung des Erbbaurechts gerichteten Heimfallanspruch hat.
Der Beklagte hat gegen seine vertraglich geregelte Bauverpflichtung verstoßen, indem er den ersten Bauabschnitt nicht innerhalb von vier Jahren fertiggestellt hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beruht dies auf einem Verschulden des Beklagten, sodass nach den vertraglichen Regelungen eine Nachfrist nicht zu gewähren war. Die Vereinbarung über die Bebauungspflicht ist wirksam. Eine solche Vereinbarung in einem von einer Gemeinde mit einem Privaten geschlossenen Erbbaurechtsvertrag stellt sich grundsätzlich – und auch hier – nicht als unangemessen dar. Denn die Gemeinde verfolgt mit der Ausgabe eines Erbbaurechts in aller Regel gerade das Ziel, das Grundstück einer Nutzung zuzuführen, die öffentlichen Zwecken dient. Es muss ihr daher im Ausgangspunkt möglich sein, die Bestellung des Erbbaurechts davon abhängig zu machen, dass sich der Erbbauberechtigte zu der Errichtung des Gebäudes verpflichtet, das diese Nutzung ermöglicht. Die Pflicht zur Errichtung des Bauwerks in angemessener Zeit stellt für denjenigen, der ein Erbbaurecht erwerben möchte, regelmäßig auch keine schwerwiegende Belastung dar, denn das Recht, auf dem Grundstück ein Bauwerk zu errichten, ist bei einem unbebauten Grundstück gerade Sinn und Zweck des Erbbaurechts. Auch die Frist von vier Jahren für die Errichtung des Bauwerks stellt sich jedenfalls deshalb nicht als unangemessen dar, weil der Erbbaurechtsvertrag einen Anspruch des Beklagten auf Verlängerung der Bebauungsfrist bei unverschuldeter Verzögerung des Bauvorhabens vorsieht. Entgegen der Ansicht der Revision verstößt die durch den Heimfallanspruch sanktionierte Bauverpflichtung auch nicht gegen Grundrechte des Beklagten, weil sich aus diesen kein Anspruch auf Einräumung eines Erbbaurechts ohne Bauverpflichtung herleiten lässt.
Die vertragliche Vereinbarung über den Heimfall ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Vergütung für das Erbbaurecht ausgeschlossen wurde. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Ausschluss der Vergütung verstoße gegen das Angemessenheitsgebot aus § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB, und die Regelung über den Heimfall sei nur mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass die gesetzliche Vergütungsregelung greife, trifft nicht zu. Die Vergütung für den Heimfall kann, wie sich aus § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG ergibt, jedenfalls individualvertraglich ausgeschlossen werden. Unzulässig ist der individualvertragliche Vergütungsausschluss nur in dem hier nicht gegebenen Fall, dass das Erbbaurecht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses minderbemittelter Bevölkerungskreise bestellt ist (§ 32 Abs. 2 Satz 1 ErbbauRG), wobei selbst in diesem Fall eine Herabsetzung der Vergütung auf zwei Drittel des gemeinen Wertes des Erbbaurechts zur Zeit der Übertragung noch zulässig ist (§ 32 Abs. 2 Satz 3 ErbbauRG). Diese gesetzliche Wertung spricht dafür, dass es einer Gemeinde in anderen Fällen im Grundsatz möglich ist, die Vergütung für das Erbbaurecht beim Heimfall gänzlich auszuschließen. Dies erscheint auch sachgerecht, denn der Heimfall tritt nach den vertraglichen Regelungen regelmäßig nur ein, wenn der Erbbauberechtigte gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt. Er hat es also selbst in der Hand, den entschädigungslosen Heimfall zu vermeiden und kann sich darauf einstellen, dass er keine Vergütung für seine Investitionen erhält, wenn er seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt. Für die Gemeinde hätte die Vergütungspflicht hingegen erhebliche Nachteile. So könnte sie gezwungen sein, sehr kurzfristig erhebliche Haushaltsmittel für das Bauwerk bereitzustellen, oder auf die Geltendmachung des Anspruchs zu verzichten, weil entsprechende Mittel im Haushalt nicht zur Verfügung stehen. Zudem müsste sie eine neue Verwendung für das Bauwerk finden, was insbesondere dann zu Schwierigkeiten führen kann, wenn es infolge der Marktentwicklung oder seines Zustands nicht nachgefragt ist oder wenn es sich – wie hier – um ein Bauwerk handelt, das aufgrund seines besonderen Zwecks von vornherein nicht marktgängig ist.
Die Geltendmachung des Heimfallanspruchs hält im vorliegenden Fall der nach den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts vorzunehmenden Ausübungskontrolle stand. Sie stellt sich insbesondere auch als verhältnismäßig im engeren Sinne dar. Allerdings führt der Ausschluss der Heimfallvergütung dazu, dass die Geltendmachung des Heimfallanspruchs einer strengen Ausübungskontrolle im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des gemeindlichen Handelns unterliegt. Der Heimfall darf im Ergebnis nicht dazu führen, dass der private Erbbauberechtigte für seinen Verstoß gegen vertragliche Pflichten übermäßig sanktioniert wird, weil sich der vergütungslose Heimfall dann der Sache nach als unangemessene Vertragsstrafe darstellen würde. Somit hat die Gemeinde bei der Ausübung ihres Ermessens einerseits Art und Bedeutung des Heimfallgrundes in den Blick zu nehmen, namentlich die Schwere des Vertragsverstoßes des Erbbauberechtigten, und andererseits die Folgen, die der vergütungslose Heimfall für den Erbbauberechtigten hätte. Beides muss in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Die Forderung nach der vergütungslosen Rückübertragung des Erbbaurechts kann sich insbesondere dann als unverhältnismäßig darstellen, wenn der Heimfall nicht auf einer schwerwiegenden Vertragsverletzung des Erbbauberechtigten beruht, das Bauwerk ganz oder weitestgehend fertiggestellt ist, der Erbbauberechtigte erhebliche Investitionen getätigt hat und die Gemeinde absehbar in der Lage sein wird, das Bauwerk anderweitig zu nutzen oder zu verwerten. So liegt es hier aber nicht. Zum einen hat der Beklagte die Bauverpflichtung schuldhaft missachtet. Zum anderen steht ihm bei Rückübertragung des Erbbaurechts eine Vergütung für das Bauwerk jedenfalls insoweit zu, als dieses einen Verkaufswert hat. Dies folgt daraus, dass die Klägerin das Wiederkaufsrecht für das Grundstück ausgeübt und dem Beklagten nach den darauf bezogenen vertraglichen Regelungen eine Vergütung für das Gebäude als Teil des Wiederkaufspreises zu zahlen hat. Auf die Frage, ob der Anspruch auf den verwendungsbezogenen Teil des Wiederkaufspreises entfällt, wenn die Klägerin ihren vertraglich vereinbarten Anspruch auf Beseitigung des Bauwerks geltend macht, kommt es insoweit nicht an. Der Wegfall des Verwendungsersatzes wäre allenfalls ein Umstand, der bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines bislang nicht geäußerten Beseitigungsverlangens zu berücksichtigen wäre, führte aber nicht (nachträglich) zur Unverhältnismäßigkeit der Geltendmachung des Heimfallanspruchs.
Auch die weiteren Annahmen des Berufungsgerichts, dass der Beklagte die Moschee weiterhin gegen Brand- und Elementarschäden versichern und Erbbauzinsen ab Januar 2019 zahlen muss, sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Vorinstanzen:
LG Stuttgart – Urteil vom 28. September 2021 – 17 O 1045/18
OLG Stuttgart – Urteil vom 13. September 2022 – 10 U 278/21
Urteil vom 19. Januar 2024 – V ZR 191/22
(c) BGH, 19.01.2024