Der Rechtsausschuss hat sich am Montagmittag im Rahmen einer öffentlichen Anhörung mit einem Entwurf eines Gesetzes der Unionsfraktion „zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze“ (20/9310) befasst. In Reaktion auf die Häufung antisemitischer Straftaten in Folgen des Terrorüberfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 schlägt die Union unter anderem Änderungen bei den Paragrafen zu Landfriedensbruch, Sympathiewerbung und Volksverhetzung im Strafgesetzbuch vor.
Das grundsätzliche Anliegen der Unionsfraktion, die Bekämpfung des Antisemitismus, wurde von allen geladenen Sachverständigen begrüßt. Der konkrete Gesetzentwurf wurde hingegen nur von den Sachverständigen begrüßt, die die Unionsfraktion zur Anhörung benannt hatte. Die jeweils von den Koalitionsfraktionen benannten Sachverständigen sahen den Entwurf hingegen kritischer und bemängelten unter anderem verfassungsrechtliche Probleme.
Im Entwurf schlägt die Union beispielsweise vor, auch das Leugnen des Existenzrechts des Staates Israel und den Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel als Volksverhetzung zu bestrafen. Ein Teil der Sachverständigen äußerte daran verfassungsrechtliche Bedenken, da damit die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde. Die Meinungsfreiheit dürfe nur aufgrund allgemeiner Gesetze beschränkt werden, führte beispielsweise die Rechtswissenschaftlerin Professorin Elisa Maria Hoven aus. Die vorgeschlagene Norm knüpfe aber an einen Meinungsinhalt an, kritisierte die von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige. Hoven schlug eine grundlegende Überarbeitung des Volksverhetzungsparagrafen vor, um bestehende Strafbarkeitslücken zu schließen.
Auf diese Vorschläge verwies auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein. Der von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige sprach sich insbesondere für die Streichung des Inlandsbezuges in diesem Zusammenhang aus.
Eine andere Auffassung dazu vertrat Oberstaatsanwalt Andreas Franck von der Generalstaatsanwaltschaft München. Aus Sicht von Franck, der als zentraler Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Justiz fungiert, handelt es sich bei der vorgeschlagenen Norm um ein allgemeines Gesetz und nicht um Sonderrecht, das eine bestimmte Meinung unter Strafe stellen wolle. Eine Verschärfung des Paragrafens wäre zudem eine Gelegenheit, die allenthalben betonte Staatsräson „in ein einfaches Gesetz zu gießen, um jüdisches Leben in Deutschland zu schützen“, sagte der von der Unionsfraktion benannte Sachverständige.
Der ebenfalls von der CDU/CSU-Fraktion benannte Rechtswissenschaftler Professor Michael Kubicel (Universität Augsburg) bewertete die vorgeschlagene Norm als „nichtallgemeine Einschränkung der Meinungsfreiheit“. Dabei gehe es aber nicht um das Verbot einer bestimmten Meinungsäußerung, „sondern um den Schutz des öffentlichen Friedens in Deutschland“, wie Kubicel in seiner schriftlichen Stellungnahme ausführte. Um das allerdings bestehende verfassungsrechtliche Prozessrisiko zu vermeiden, schlug er eine Erweiterung der Verbotsnorm vor.
Kritisch diskutiert wurde neben der Wiedereinführung der Sympathiewerbung auch die vorgeschlagene Verschärfung beim Landfriedensbruch. Die Union fordert, dass auch eine Person bestraft werden kann, die „sich einer Menschenmenge, die die öffentliche Sicherheit bedroht, anschließt oder sich nicht unverzüglich aus ihr entfernt, obwohl aus der Menge mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit begangen werden und er dies erkennen kann“. Unter anderem der von der FDP-Fraktion als Sachverständiger benannte Rechtsanwalt Stefan Conen (Mitglied im Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins e. V.) problematisierte diesen Vorschlag aus verfassungsrechtlicher Perspektive mit Blick auf das grundgesetzlich geschützte Versammlungsrecht. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an den Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1985.
Aus Sicht von Rechtsanwältin Kati Lang geht der Gesetzentwurf allgemein fehl. Es bestehe ein „Vollzugs- und nicht ein Regelungsdefizit“ bei der Bekämpfung antisemitischer Straftaten, sagte die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannte Sachverständige. Das liege an der „Mut- und Willenlosigkeit der Justiz“. Sie forderte zudem eine Stärkung von Beteiligungsrechten bei antisemitischen Straftaten, beispielsweise eine Nebenklagemöglichkeit bei volksverhetzender Beleidigung.
In eine ähnliche Richtung äußerte sich Professorin Ulrike Lembke (Humboldt-Universität zu Berlin). Die ebenfalls von der Grünen-Fraktion benannte Sachverständige betonte ebenso, dass es bei der Verfolgung antisemitischer Straftaten um ein Vollzugsproblem gehe, gegen das „symbolische Gesetzgebung“ nicht helfe. Das Strafrecht sei vorhanden, es gehe nun um die konsistente und konsequente Anwendung. „Hier liegt das eigentliche Problem und darauf sollten wir unsere Kräfte richten“, sagte die Rechtswissenschaftlerin, die dem Verbundprojekt „Antisemitismus als justizielle Herausforderung“ angehört. Neben den genannten Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung zudem der von der Unionsfraktion als Sachverständige benannte Richter Thomas Kluger sowie der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Sven Hüber, den die SPD-Fraktion benannte hatte.
(c) HiB Nr. 18, 15.01.2024