Sprache, Hautfarbe oder Herkunft: Solche personenbezogenen sensiblen Daten werden von der Polizei in Deutschland zu wenig geschützt. Daher besteht das Risiko, dass es durch polizeiliche Datenverarbeitung zu rassistischer Diskriminierung kommt. Das ist das Ergebnis einer Studie im aktuellen Menschenrechtsbericht 2023, den das Deutsche Institut für Menschenrechte heute in Berlin vorgestellt hat. Das Institut legt dem Bundestag seit 2016 jährlich einen Bericht zur Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland vor.
Die Studie geht der Frage nach, inwiefern es bei der polizeilichen Datenverarbeitung zu rassistischer Diskriminierung kommen kann. Dazu wurden die rechtlichen Vorgaben zur Verarbeitung sensibler Daten gesichtet, die Innenministerien der Länder befragt und Gespräche mit Polizeiexpertinnen und Datenschützern geführt. „Wir haben festgestellt, dass bei der polizeilichen Datenverarbeitung sensible Daten kaum besser geschützt sind als nicht sensible Daten. Das ist grund- und menschenrechtlich problematisch“, kritisiert Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
Die Polizei verarbeitet in erheblichem Umfang Daten, aus denen eine vermeintliche „rassische oder ethnische Herkunft“ gelesen werden kann. Für das polizeiliche Informationssystem INPOL beispielsweise gibt es etwa eine Datenkategorie „äußere Erscheinung“, in der bei erkennungsdienstlichen Maßnahmen Menschen als „afrikanisch“ oder „europäisch“ erfasst werden können. „Die erfassten Daten reproduzieren Stereotype: Ein als „afrikanisch“ gelesener Mensch wird nicht als Europäer, nicht als Deutscher gesehen – auch wenn er die deutsche Staatsangehörigkeit hat“, stellt Rudolf fest.
Das Institut empfiehlt den Gesetzgebern in Bund und Ländern deshalb, zu präzisieren, unter welchen Bedingungen sensible Daten, wenn überhaupt, verarbeitet werden dürfen. Zudem sollten verbindliche Schutzmaßnahmen festgelegt werden. „Polizei und Innenministerien müssen transparenter werden, wie und mit welchen Konzepten sie sensible Daten verarbeiten, und sich einer kritischen Selbstreflexion stellen“, sagt Rudolf.
Der Bericht widmet sich fünf weiteren Themen, darunter der aus Sicht des Instituts besorgniserregenden Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Mit Blick auf Klima-Proteste erklärt Rudolf: „Sitzblockaden sind aus grund- und menschenrechtlicher Sicht Versammlungen und fallen somit unter den Schutz der Versammlungsfreiheit. Friedliche Versammlungen, und dazu gehört auch Störung des Verkehrs, müssen hingenommen werden.“ Die Direktorin des Instituts betont, dass staatliche Maßnahmen wie Präventivhaft oder diffamierende Äußerungen durch Politik und Medien eine einschüchternde Wirkung auf Klimaaktivistinnen und -aktivisten haben können. Präventivhaft dürfe „nur mit äußerster Zurückhaltung zur Verhinderung schwerwiegender Gewalt“ angewendet werden. „Die Bundesregierung und die Länder sollten zu einer Versachlichung der Debatte beitragen. Die Anliegen der Klimabewegung, die im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen stehen, müssen wieder in den Mittelpunkt rücken“, so Rudolf.
Weiteres Thema im diesjährigen Bericht ist die innerstaatliche Umsetzung der Istanbul-Konvention des Europarats, dem umfassendsten Menschenrechtsvertrag gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Rudolf: „Die Istanbul-Konvention gilt seit Februar 2023 für alle Frauen in Deutschland unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Das begrüßen wir sehr. Im Hinblick auf Migrantinnen mit prekärem Aufenthaltsstatus sind jetzt Gesetzesänderungen erforderlich, um diese vor häuslicher Gewalt zu schützen. Das betrifft etwa Frauen, deren Aufenthaltsrecht von dem des Ehemannes abhängt.“
Außerdem geht es im diesjährigen Bericht um die politische Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen. „Wir begrüßen, dass der Bundestag für die Wahlen zum Europäischen Parlament das Mindestwahlalter auf 16 Jahre gesenkt hat. Diese Absenkung hat die Ampelkoalition im Koalitionsvertrag auch für Bundestagswahlen verabredet. Geschehen ist hier bisher nichts. Bundestag und Bundesrat sollten sich zügig mit einem entsprechenden Gesetzentwurf befassen, damit ab der nächsten Bundestagswahl Menschen ab 16 wählen können“, erklärt Rudolf.
Das Instituts sieht zudem dringenden Reformbedarf beim gesetzlichen Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen und fordert darüber hinaus, mehr barrierefreien Wohnraum zu schaffen.
(c) DIMR, 04.12.2023