Trotz einschneidender Pandemiejahre hat sich die Einkommensungleichheit in Deutschland nicht wesentlich verändert, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Und auch bei der deutschen Einheit geht es voran: Ostdeutsche sind immer seltener von Armut bedroht.
Die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer? Wenn es um die Verteilung der Einkommen in Deutschland geht, wird immer wieder das Bild der sich öffnenden Einkommensschere verwendet – ganz besonders nach den Pandemiejahren, als Lockdowns und Beschränkungen Deutschland in die Krise warfen. Doch die Verteilung erweist sich trotz unsicherer Datenlage als bemerkenswert stabil, zeigt eine neue IW-Studie. Vier Fakten aus dem aktuellen IW-Verteilungsreport:
Die Einkommensverteilung hat sich in den Pandemiejahren kaum verändert.
Das geht aus vorläufigen Zahlen des Mikrozensus hervor. Der Gini-Koeffizient, der die Verteilung der Einkommen misst – bei einem Wert von 0 erhalten alle Personen das gleiche Einkommen, bei einem Wert von 1 hat einer alles, alle anderen nichts – hat sich im Jahr 2022 gegenüber 2019 nur marginal verändert und bleibt bei etwa 0,30 Punkten. Im Osten lag der Wert 2022 mit 0,27 Punkten auf demselben Niveau wie vor der Pandemie.
Immer weniger Ostdeutsche sind von Armut bedroht.
Das traditionelle Ost-West-Gefälle beim Armutsrisiko verschwindet immer mehr. Ein Beispiel: In Thüringen ist der Anteil der Armutsgefährdeten seit 2012 um ganze 21 Prozent zurückgegangen. Im Westen stieg die Niedrigeinkommensquote leicht, das hängt aber vor allem mit dem stärkeren Zuzug Geflüchteter zusammen.
Die Deutschen glauben an eine bessere Zukunft.
84 Prozent aller Eltern erwarten, dass es ihren eigenen Kindern später gleich gut oder besser gehen wird. Gerade jüngere Menschen sind mit Blick auf die eigenen Chancen optimistisch. Und: 89 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass Anstrengung und Fleiß für Erfolg und sozialen Aufstieg entscheidend sind.
Der Anteil der Reichen an der Bevölkerung ist seit einem Jahrzehnt nahezu unverändert.
Die sogenannte Einkommensreichtumsquote – also der Anteil der Personen, die mehr als das doppelte des Äquivalenzeinkommens zur Verfügung haben – lag im Jahr 2022 bei 7,7 Prozent und damit auf einem ähnlichen Niveau wie 2019. Überhaupt hat sich der Wert in den vergangenen 15 Jahren kaum verändert.
„Der wichtigste Schutz vor Armut bleibt Arbeit. Das wissen die allermeisten Deutschen“, sagt IW-Verteilungsexperte Maximilian Stockhausen. „Abgesänge auf die soziale Gerechtigkeit im Land sind überzogen.“ Sozialer Aufstieg sei in Deutschland möglich, das werde von den Menschen mehrheitlich auch so wahrgenommen. „Deutschland besitzt außerdem ein gut funktionierendes Sicherungssystem, das sich in der Pandemie bewährt und größere soziale Verwerfungen verhindert hat.“
Zur Methodik: Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoäquivalenzeinkommens zur Verfügung hat. Weil die Datenerhebung während der Pandemie nur sehr eingeschränkt möglich war, sind robuste Aussagen über die Entwicklung der Einkommensungleichheit und die Wirksamkeit der umfangreichen Hilfs- und Entlastungsmaßnehmen nur schwer realisierbar. Zudem wird der Gini-Koeffizient im Mikrozensus nur auf zwei Nachkommastellen gerundet veröffentlicht, sodass eine Veränderung von 0,29 zu 0,30 auf einer nur kleinen Veränderung von 0,294 zu 0,295 beruhen könnte. Daher sind nur größere Änderungen tatsächlich belastbar interpretierbar.
(c) IW,