Die im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) vorgesehene Versagung einer Erlaubnis für den Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ist angesichts der Möglichkeiten, das eigene Leben medizinisch begleitet mit anderen Mitteln zu beenden, mit dem durch das Grundgesetz geschützten Recht auf selbstbestimmtes Sterben vereinbar. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Die Kläger leiden an schweren Erkrankungen. Ihre Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ab. Die dagegen gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht entschieden, dass die beantragte Erlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG zu versagen ist. Der Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ist grundsätzlich nicht mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Medizinische Versorgung im Sinne der Vorschrift meint die Anwendung eines Betäubungsmittels zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden. Eine solche therapeutische Zielrichtung hat die Beendigung des eigenen Lebens grundsätzlich nicht.

Die Versagung der Erlaubnis verletzt die Kläger nicht in ihren Grundrechten. Zwar greift der Erlaubnisvorbehalt für den Erwerb von Betäubungsmitteln (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) in Verbindung mit der zwingenden Versagung einer solchen Erlaubnis für den Erwerb zum Zweck der Selbsttötung (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG) in das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Einzelnen ein, selbstbestimmt die Entscheidung zu treffen, sein Leben eigenhändig bewusst und gewollt zu beenden. Dieses Recht ist, wie das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 26. Februar 2020 (2 BvR 2347/15 u. a.) entschieden hat, nicht auf schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt und bedarf keiner Begründung oder Rechtfertigung. Im Ausgangspunkt geschützt ist damit nicht nur die Freiheit des Einzelnen, selbstbestimmt zu entscheiden, ob er sein Leben beenden möchte, sondern auch, wann und wie das geschehen soll. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m.

§ 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG schränkt diese Freiheit ein. Menschen, die freiverantwortlich entschieden haben, sich mithilfe von Natrium-Pentobarbital töten zu wollen, können ihren Entschluss ohne Zugang zu diesem Betäubungsmittel nicht in der gewünschten Weise umsetzen.

Der Grundrechtseingriff ist aber gerechtfertigt. Das Betäubungsmittelgesetz verfolgt mit dem generellen Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, u. a. das legitime Ziel, Miss- und Fehlgebrauch von tödlich wirkenden Betäubungsmitteln zu verhindern. Die Verbotsregelung ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich. Sie ist auch angemessen, weil der mit ihr verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Grundrechtseingriffs stehen; für Menschen, die selbstbestimmt entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, gibt es andere zumutbare Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Sterbewunsches.

Nach den für das Revisionsverfahren verbindlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts besteht für Sterbewillige die realistische Möglichkeit, über eine Ärztin oder einen Arzt Zugang zu (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden kann. Diese Alternativen sind für die Sterbewilligen mit Belastungen verbunden. Sie müssen eine ärztliche Person finden, die bereit ist, die notwendige pharmakologische und medizinische Unterstützung zu leisten. Sie können sich bei der Suche allerdings helfen lassen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 26. Februar 2020 das in § 217 StGB normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für nichtig erklärt hat, haben – wie das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat – mehrere Organisationen die Vermittlung von zur Suizidhilfe bereiten Ärzten wiederaufgenommen. Erschwernisse für die Sterbewilligen ergeben sich außerdem bei der oralen Anwendung der Arzneimittel, weil eine größere Menge eingenommen werden muss als bei der Lebensbeendigung mit Natrium-Pentobarbital. Das kann für Sterbewillige mit Schluckbeschwerden schwierig sein und erhöht das Risiko von Komplikationen. Es besteht auch die Möglichkeit, ein Arzneimittel intravenös einzusetzen, das hinsichtlich Wirkweise und Risiken keine wesentlichen Unterschiede zu Natrium-Pentobarbital aufweist. Das erfordert aber eine fachkundige medizinische Begleitung und belastet damit Sterbewillige, die – wie die Kläger – eine solche Begleitung nicht wünschen. Diesen Belastungen der Sterbewilligen stehen wichtige Gemeinwohlbelange gegenüber, die durch die Nichteröffnung des Zugangs zu Natrium-Pentobarbital geschützt werden. Die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung durch Miss- oder Fehlgebrauch des Mittels sind angesichts seiner tödlichen Wirkung und der einfachen Anwendbarkeit besonders groß und wiegen schwer. Diese besonderen Gefahren sind die Kehrseite der dargelegten Vorzüge des Mittels für die Sterbewilligen.

In der Abwägung stehen die mit dem fehlenden Zugang zu Natrium-Pentobarbital verbundenen Belastungen für Sterbewillige, die selbstbestimmt entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, nicht außer Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz. Dem Gesetzgeber kommt bei der Gewichtung der Gefahren des Betäubungsmittelverkehrs und der Ausgestaltung des Schutzkonzepts zur Verhinderung von Miss- und Fehlgebrauch ein Spielraum zu. Dessen Grenzen sind mit dem Verbot des Erwerbs von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung nicht überschritten. Die Einschränkung der Selbstbestimmung bei der Wahl des Mittels hat zwar Gewicht; es geht um die Gestaltung des eigenen Lebensendes. Die Gefahren, die durch den Erwerb von Natrium-Pentobarbital und die Aufbewahrung des Mittels durch die Sterbewilligen entstehen können, sind jedoch groß. Angesichts dieser Gefahren und der bestehenden Alternativen zum Einsatz des gewünschten Mittels ist es nicht zu beanstanden, dass das Gesetz seinen Erwerb zum Zwecke der Selbsttötung nicht zulässt.

Schließlich ergibt sich ein Anspruch auf die beantragte Erwerbserlaubnis auch nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt einer extremen Notlage im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2017 (BVerwG 3 C 19.15). Die Voraussetzungen einer solchen Notlage liegen bei den Klägern schon deshalb nicht vor, weil eine zumutbare Alternative zur Selbsttötung mit Natrium-Pentobarbital nach den verbindlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch für sie besteht. Sollte für einen der Kläger aufgrund seiner krankheitsbedingten Schluckbeschwerden nur ein intravenös anwendbares Arzneimittel in Betracht kommen, ergibt sich nichts Anderes. Das Oberverwaltungsgericht hat dargelegt, dass dieser vom Schultergürtel abwärts gelähmte Kläger das Mittel mithilfe eines Infusionsautomaten anwenden könnte, den er selbst steuert.

BVerwG 3 C 8.22 – Urteil vom 07. November 2023

(c) BVerwG, 07.11.2023

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