Die Verhandler des Europäischen Parlaments haben die Chatkontrolle, die die anlasslose Überwachung privater Kommunikation bedeutet hätte, in einem historischen fraktionsübergreifenden Kompromiss verworfen. Stattdessen sollen verdachtsbezogene Maßnahmen geschaffen und die Sicherheit bei den Netzanbietern verbessert werden. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt das.
„Was wir und Dutzende anderer Experten und Verbände schon seit Langem wiederholen, hat nun auch im Europäischen Parlament Gehör gefunden“, so Rechtsanwalt Dr. David Albrecht, Mitglied im Ausschuss Gefahrenabwehrrecht des DAV. Dass die digitale Massenüberwachung ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die Rechte der europäischen Bürgerinnen und Bürger wäre, hatte der Deutsche Anwaltverein bereits seit mehr als einem Jahr immer wieder erläutert.
„Nach der automatischen Bilderkennung fallen nun auch die anlasslosen Scans der digitalen Kommunikation im Ganzen weg“, erklärt der Anwalt. „Wenn auch der Europäische Rat bei einem derartigen Kompromiss mitzieht, würde dies einen längst überfälligen Sieg für die europäischen Bürgerrechte bedeuten!“
Die Ratspräsidentschaft hatte zuletzt einen Vorschlag unterbreitet, in dem zwar wegen hoher Fehlerquoten vorerst auf die automatische Erkennung von strafbarem Material verzichtet und digitale Kommunikation nur auf bereits bekannte Missbrauchsdarstellungen gescannt worden wäre – dennoch hätte diese anlasslose Überwachung Verschlüsselungstechnologien im digitalen Raum ausgehebelt. „Vor dem Europäischen Gerichtshof hätte die Chatkontrolle, wie sie von einigen Mitgliedstaaten aktuell noch geplant ist, keinen Bestand“, ist Albrecht sicher.
Das Europäische Parlament hat sich nun auf einen Kompromiss einigen können, der diese scharf kritisierten Vorhaben nicht mehr enthält. Der Parlamentsausschuss für bürgerliche Freiheiten muss dem nun noch zustimmen. „Die Chatkontrolle landete in den letzten Monaten immer wieder auf dem Tisch. Wir hoffen, dass dies nun ein Ende hat, und fordern die EU-Mitgliedsstaaten auf, sich dem im Europäischen Parlament erzielten Kompromiss anzuschließen“, konstatiert Dr. David Albrecht.
(c) DAV, 26.10.2023