Polen hat gewählt: Die regierende PiS-Partei hat die Mehrheit verloren. Die Opposition könnte Mehrheiten zum Regieren bilden. Das Ergebnis ist eine Niederlage für den autoritären Nationalismus, erklären die Vorsitzenden der Internationalen Kommission, der Partei DIE LINKE Kathrin Vogler und Wulf Gallert:
»Die Parlamentswahlen in Polen am 15. Oktober sind ein ermutigendes Zeichen im europaweiten Kampf gegen Nationalismus, Rassismus und Autoritarismus. Die noch regierende PiS hat mit der Angst vor Migranten, antideutscher Stimmungsmache und der Ablehnung der EU versucht, ihre Herrschaft zu zementieren. Feindbilder waren alle, die nicht in ein erzkonservatives katholisches Weltbild passten, unter anderem Menschen, die für Frauenrechte oder sexuelle Selbstbestimmung kämpften. Entsprechende Volksbegehren hatte die PiS mit den Wahlen verknüpft. Auch diese sind an mangelnder Beteiligung gescheitert, weil die Opposition hier zum Boykott aufgerufen hat.
Die PiS hat in den vergangenen 9 Jahren die demokratische Gewaltenteilung in Polen unterwandert, staatliche Medien strikt auf den eigenen Propagandakurs eingeschworen und versucht, das gesamte gesellschaftliche Leben auf ihren konservativen nationalistischen Kurs auszurichten. Trotzdem hat sich eine Mehrheit der Menschen in unserem Nachbarland bei der höchsten Wahlbeteiligung nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus gegen diese Partei gestellt.
DIE LINKE gratuliert insbesondere dem Wahlbündnis von Nowa Lewica und Razem zu diesem Erfolg.
Noch ist offen, ob die nationalistisch konservative PiS ihre Wahlniederlage anerkennt oder einen demokratischen Regierungswechsel hinauszuzögern oder zu verhindern versucht. Aber auch nach einem erfolgreichen Regierungswechsel ist es wichtig, nicht die alten Fehler zu wiederholen. Vornehmlich die Regierung unter Donald Tusk hat 2007 – 2014 durch ihre Politik des massiven Sozialabbaus erst den Aufstieg der PiS ermöglicht. Werden diese Fehler wiederholt, wird es wie in Italien wieder zu einem Aufstieg der jetzt abgewirtschafteten Nationalisten kommen, mit all den Konsequenzen für die Menschen in unserem Nachbarland und für Europa insgesamt.
Auch die EU, vorwiegend die Kommission und der Ministerrat, dürfen ihre alten Fehler nicht wiederholen. Sie haben im Zuge des Beitritts Polens zur EU maßgeblich eine neoliberale Entwicklung diktiert, die zu einer tiefen sozialen Spaltung im Land geführt hat.
Die massive Wohnungsnot in den großen Städten, der geringe gewerkschaftliche Organisationsgrad, die hohe Inflation insbesondere bei Lebensmitteln und die große Abhängigkeit von fossilen Energieträgern in unserem Nachbarland bilden sozialen Sprengstoff, der den Erfolg vom 15. Oktober schnell wieder zunichtemachen kann. Der nach wie vor hohe Anteil von nationalkonservativen Stammwählern der PiS im ländlichen Raum und den südöstlichen Regionen des Landes resultiert auch aus einer sozialen Mindestsicherung durch die jetzige Regierung. Dies wurde von der Vorgängerregierung unter Donald Tusk sträflich vernachlässigt.
Dieser Zusammenhang zwischen sozialer Polarisierung durch neoliberale Politik und dem Aufstieg von nationalistischen und rechtsextremen Kräften existiert nicht nur in Polen, er ist ein gesamteuropäisches, ja globales Problem. Ein Sieg der Demokratie gegen Autoritarismus und Nationalismus wird es ohne soziale Garantie nicht geben.
Wir wünschen den Menschen in unserem östlichen Nachbarland einen erfolgreichen Weg in eine gemeinsame europäische Zukunft der Demokratie, sozialen Gerechtigkeit, Weltoffenheit und Rechtsstaatlichkeit!«