OSNABRÜCK. Auf die mündliche Verhandlung von heute hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück festgestellt, dass die Sperrstundenregelung von 23:00 bis 6:00 Uhr in Ziffer 2) der „25. Infektionsschutzrechtlichen Allgemeinverfügung der Stadt Osnabrück zur Bekämpfung der Atemwegserkrankung Covid-19 durch den Corona-Viruserreger SARS-CoV-2 auf dem Gebiet der Stadt Osnabrück“ vom 21. Oktober 2020 rechtswidrig war.
Ein Osnabrücker Gastronom hatte sich bereits im Oktober 2020 mit einem Eilantrag (3 B 75/20) und einer Klage gegen die Sperrstundenregelung gewandt und mit seinem Eilantrag auch Erfolg (s. Presseinformation Nr. 26/2020). Auch nach Außerkrafttreten der Sperrstundenregelung am 10. November 2020 verfolgte er seine Klage im Wege der Fortsetzungsfeststellungklage weiter – ebenso erfolgreich.
Zur Begründung der stattgebenden Entscheidung führte der Vorsitzende in der mündlichen Urteilsbegründung heute aus, die als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte Klage sei zulässig und begründet. Die angefochtene Sperrstundenregelung beruhe zwar auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage, nämlich § 28 Absatz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in der Fassung vom 28. März 2020. Auch müsse man bei der Frage, ob die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage gegeben seien, die damalige Perspektive und die damalige Infektionslage zugrunde legen und die Maßnahmen nicht etwa rückblickend aus einer „schlaueren“ Perspektive aus heutiger Sicht beurteilen. Gleichwohl sei die Beklagte im Zeitraum der Geltungsdauer der Sperrstundenregelung an die Grundrechte gebunden und nur berechtigt, die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ im Sinne des Infektionsschutzgesetzes zu treffen. Bei der hier vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit des Klägers komme die Kammer zu dem Schluss, dass die Sperrstundenregelung nicht verhältnismäßig gewesen sei. Es fehle jedenfalls an der Erforderlichkeit, weil es mildere Mittel gegeben hätte, auf das damalige Infektionsgeschehen zu reagieren. Dazu zähle beispielsweise ein Alkoholausschankverbot ab einer bestimmten Uhrzeit oder aber eine Begrenzung der in Gaststätten zulässigen Personenzahl. Überdies habe die Beklagte nicht hinreichend deutlich gemacht, warum zur Eindämmung eines „diffusen Infektionsgeschehens“ die Sperrzeit ausgerechnet um 23 Uhr beginnen müsse.
Das Urteil (3 A 175/20) ist noch nicht rechtskräftig und kann binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg angefochten werden.
Quelle: Verwaltungsgericht Oldenburg, Pressemitteilung vom 8. März 2022